Internetmoral. Vernunft statt viel Blabla - 1. Korintherbrief 14.
Zungenrede und prophetische Rede
1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede!
2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.
3 Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
4 Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde……
18 Ich danke Gott, dass ich mehr in Zungen rede als ihr alle.
19 Aber ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in Zungen.
20 Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen.
21 Im Gesetz steht geschrieben (Jesaja 28,11-12): »Ich will in andern Zungen und mit andern Lippen reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch so nicht hören, spricht der Herr.«
22 Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?
24 Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt;
25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.
26 Wie ist es denn nun, liebe Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat eine Offenbarung, er hat eine Zungenrede, er hat eine Auslegung. Lasst es alles geschehen zur Erbauung!
33 Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.
(1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 14)
So wie in dem Hörbeispiel hört sich das Reden in Zungen an. Leute lallen, ein Zeichen, dass man gerade von Heiligen Geist erfüllt ist. In Pfingstgemeinden heute noch Praxis. - Glossolalie (Zungenrede, Sprachengebet) ist ein Phänomen, bei dem Laute und Silbenfolgen geäußert werden, die keiner Sprache angehören und für einen Außenstehenden von einer Fremdsprache nicht unterscheidbar sind. -
Aber schon zur Zeit des Paulus wird dieses lallende, unverständliche Zungenreden skeptisch gesehen. Es ist unverständlich, bringt den anderen nicht weiter, hat keine aufbauende Botschaft. „Lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, als zehntausend Worte in Zungen.“ (19). Vernunft statt viel Blabla.
Im Seniorenclub wurde einmal folgende Geschichte erzählt:
Wahr, gut und notwendig
„Der griechische Philosoph Sokrates ist bekannt für seine bedachtsamen Vorreden vor seinem Erkenntnisgewinn. Solche Vorüberlegungen empfahl er in seiner dialogischen Fragetechnik gern auch seiner Umgebung, damit seine Gesprächspartner nicht zu vorschnellen oder nichtigen Ergebnissen kämen.
Ein schönes Beispiel ist der Frage-Dialog mit einem guten Freund. Der kam eilend zu Sokrates und setzte an:“ Höre, Sokrates, ich will Dir erzählen, wie kürzlich dein Freund…“ Da unterbrach in Sokrates mit den Worten:“ Halt ein! Hast Du das, was Du mir sagen willst, durch drei Siebe geschüttelt?“
„Drei Siebe?“ fragte der Freund voller Verwunderung. „Ja mein Freund, drei Siebe“, bestand der Weise auf seinen Rastern der Erkenntnis. „Lass sehen, ob das, was Du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurch geht!“ forderte der Philosoph.
„Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast Du alles, was Du mir erzählen willst, darauf geprüft, ob es wahr ist?“ Da musste der Ankömmling antworten: „Nein, ich hörte es von anderen erzählen, aber… .“
„So, so“, fuhr Sokrates fort, aber vielleicht hast Du es ja mit dem zweiten Sieb geprüft; es ist das Sieb der Güte. Ist das, was Du mir erzählen willst, wenn schon nicht wahr erwiesen, wenigstens gut?“
Zögernd sagte der Gesprächspartner: „Nein, das nun nicht, im Gegenteil…“ Da unterbrach in Sokrates und fuhr fort: „Dann lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was Dich so erregt.“
Da antwortet der Dialogpartner. „Notwendig nun nicht unbedingt.“ – „Also lächelte Sokrates, „wenn das, was Du mir erzählen willst, weder wahr, noch gut und auch nicht notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!“
Eine Leiterin des Seniorenclubs meinte dazu: „Würde man sich an diese guten Ratschläge halten, fiele ein großer Teil allen Gesprächsstoffes weg. Dabei kann ein bisschen wohlwollender Klatsch doch sehr unterhaltsam sein. Was würde Sokrates erst zu unseren wirklich großartigen, modernen Kommunikationsmitteln sagen, die es möglich machen, die unbedeutendste Information augenblicklich an eine große Anzahl von mehr oder weniger guten Freunden und Bekannten weiterzugeben. Da scheint es besonders wichtig, Neuigkeiten zuerst durch ein Raster zu sieben. Anders als im persönlichem Gespräch, wo die Gefühle des Gegenübers an Gesichtsausdruck, Stimmfärbung und Gestik zu erkennen sind, können durch eine wenig überlegte SMS, durch Emails oder WhatsApps Verletzungen entstehen, die zwar nicht beabsichtigt waren, aber schwer wieder gutzumachen sind.“
Das Internet und die sozialen Medien bieten die Möglichkeit, alles Mögliche und Unmögliche ins Internet zu stellen, von sich zu posten und zu kommentieren.
Was dient davon wirklich der Auferbauung? Was nutzt und hilft es anderen?
Was ist Selbstdarstellung oder gar Täuschung und gezielte Manipulation?
Auch wir haben eine Homepage. Was soll gezeigt und weitergegeben werden?
Ist angesichts der permanenten Reizflutung, Reizüberflutung, Daten- und Informations- und Kommentardiät angesagt, und sich darin zu üben, weniger, aber dafür wirklich Wichtiges und Bedeutsames mitzuteilen?
Aber: Wer heute nicht in den Medien präsent ist, hat nichts zu sagen, wird nicht wahrgenommen. Soll man nur ‚den anderen‘ das Netz überlassen und sich raushalten? Ich bin orientierungs- und hilflos.
‚Aufmerksamkeit ist die Währung der Gegenwart‘, sagen manche. Auffallen um jeden Preis, um im Gespräch zu bleiben, um andere an seine Meinung zu binden. Es geht um Follower und Nachfolger, Likes, Abonnenten, Zuschauerquoten, Anzahl der Klicks und Freunde; kann süchtig machen, kann einen aber auch bedeutungslos vorkommen lassen, wenn man nur eine paar Freunde und einen überschaubaren Bekanntenkreis hat.
Es scheint gerade schwer zu sein, vernünftig zu bleiben, nur fünf gescheite Worte zu haben und nicht zu allem und jedem einen gewinnbringenden und fundierten Kommentar abgeben zu können.
Schauen wir in den Brief an die Korinther:
„Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es um das Verstehen geht, sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht“ (20). Lasst euch nicht für dumm verkaufen, lasst euch nicht den Verstand rauben, lasst euch nicht einreden: ‚Ihr habt doch keine Ahnung‘. Bleibt wachsam, fragt, bildet euch, forscht danach, wie es sich wirklich verhält. Sieh hin, hör zu und denke nach, dann wird alles, was du tust, sinnvoll sein.
Aber Nachdenken braucht Ruhe, Stille, sich zurückziehen, mal für sich und mit seinen Gedanken und Gefühlen alleine sein. Nachdenken braucht auch mal das selbstvergessene Gespräch und den freien, ehrlichen Meinungsaustausch mit anderen.
Seid Kinder, wenn es um das Böse geht. Hass und Hetze ist ein alltägliches Phänomen, früher noch eher anonym, heute wohl mit vollem Namen.
Das achte Gebot hält dagegen: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Du sollst kein dummes Zeug über andere verbreiten.
„Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und all redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen: Ihr seid von Sinnen?“ (23)
Was könnten Generationen nach uns sagen, wenn sie all die Mitteilungen und Kommentare im Internet herauslesen und zu 10 Aussagen zusammenfassen würden: ‚Respekt! Tolle Gedankenleistung der digital Natives, der Generation 2020. Hat die Menschheit vorangebracht: Mehr Respekt. Mehr Vernunft. Sie haben es geschafft, das Zusammenleben von bald 10 Milliarden Menschen friedlich und freiheitlich zu gestalten, so dass jeder Mensch auf seine Art und Weise auf der Welt sein darf?
Oder werden sie sagen: Wie konnten sie nur? Haben sie nicht wichtigere und drängendere Themen gehabt und haben sie ihre Zeit oft mit viel sinnlosem Geschwätz zugebracht?
„Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat eine Offenbarung, er hat eine Zungenrede, er hat eine Auslegung. Lasst alles geschehen zur Erbauung“ (26).
Wenn ihr zusammenkommt, dann bringt ein schönes Lied, ein berührendes Zitat ein; unterrichtet einander, was es an neuen Erkenntnissen gibt; erzählt von Ideen, wie man das ein oder andere anders und besser machen könnte; auch wenn der eine es noch nicht klar ausdrücken kann, was ihn umtreibt, so helfe man ihm, es zur Sprache zu bringen und benennen zu können - immer so, dass die anderen etwas davon haben und mitwachsen und teilhaben.
Intelligenz und künstliche Intelligenz soll doch nicht dazu genutzt werden, Herrschaft übereinander zu festigen, von der nur ein paar profitieren.
Der Präsident von Russland hat wohl gesagt: Künstliche Intelligenz ist die Zukunft; nicht nur für Russland, sondern für die Menschheit. Wer immer führend in dieser Sphäre wird, wird die Welt beherrschen.“
Lasst alles geschehen zur Erbauung! Kennen sie das Wort Disruption? Es meint Zerstörung, Zusammenbruch. Es ist das neue Denken der neuen großen Firmen. Es geht um die Zerschlagung bestehender Modelle.
Uber, das größte Taxiunternehmen, hat keine Taxis mehr.
Amazon will den Handel abschaffen, möglichst viel auf seine Plattform bringen.
Airbnb zerstört die traditionelle Hotelbranche und das Gastgewerbe.
Die Chefs der großen Internetfirmen geben sich oft als Weltverbesserer, vermeiden aber Konkurrenz in ihrer Branche und vermeiden Steuern; sie reden so, als ob ihre Unternehmen Wohltätigkeitsvereine seien.
Die andere Art der Kommunikation- das Zungenrden – brauchte eine Ein-Friedung, eine Ein-Ordnung, eine Ethik. Redet verständlich, baut euch gegenseitig auf.
Unsere Art der Kommunikation braucht auch eine Ein-Friedung, Ein-Ordnung, eine Ethik. Freiräume und Tabus: Dies und das geht, nützt, tut gut – vielen, nicht nur wenigen.
Dies und das ‚macht man nicht‘, ist nicht geboten, schadet dem Frieden und dem Charakter des einzelnen und der Gemeinschaft.
Noch sind wir nicht soweit, dass wir eine gute und selbstverständliche Internet-Moral hätten. Es ist eine Bildungsaufgabe, auch der Kirche.
Noch einmal Paulus: Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.
Amen.