In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Siehe, ich mache alles neu.

Die Glocken der Christsukirche läuten seit 50 Jahren zum Gottesdienst. Auf der einen steht: 'Wo der Geist des Herrn ist, das ist Freiheit', auf der anderen steht: 'Siehe, ich mache alles neu'.

Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
Was ist Freiheit? Eine Zeile aus einem Lied kommt mir immer wieder in den Sinn: Willy, von Konstantin Wecker. „Freiheit, das heißt keine Angst vor nichts und niemand.
Wer Angst hat, ist nicht frei.
Wo der Geist des Herrn ist, das ist Freiheit, da wird Angst überwunden, da ist keine Angst mehr, vor wem und vor was auch immer.
Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, das schreibt Paulus, der sich bedrückt und wie tot fühlt durch die Last der Gesetze und Vorschriften seiner Religion. Der Buchstabe tötet. Es ist ihm eine Qual, alle Regeln und Bestimmungen bis ins Kleinste und ohne Abweichungen zu befolgen. Er selbst war zuvor noch eine glühender, militanter Verfechter seiner Religion, ein religiöser Fundamentalist und verfolgte die Judenchristen, die sich eben nicht mehr sklavisch an die Reinheits- und Speise- und Beschneidungsvorschriften halten wollten, weil dabei das Wichtigste aus dem Blick verloren gegangen war: die Liebe. Aber eines Tages, da wurde auch Paulus verwandelt und bekennt in Briefen:
 „Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. … In Christus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig wird. … Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“
Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Keine Angst mehr, verworfen zu werden von Gott und von den anderen Glaubensgenossen, keine Angst mehr, zu schlecht zu sein, als ungläubig zu gelten, wenn man sich nicht mehr einer erbarmungslosen Diktatur von Vorschriften unterwirft.
1500 Jahre später zerbrach Martin Luther fast an der gleichen Frage: Was muss ich denn alles tun, um vor Gott gerecht zu sein, damit es ihm recht ist.  
Diese Gemütslage gibt es nicht nur in der Religion.
Wie viele strampeln sich ab, um es recht zu machen, um es möglichst vielen, gar allen recht zu machen und unterwerfen sich, um dazu zu gehören, um akzeptiert zu werden.  Und ich denke dabei an einen deutschstämmigen Flüchtling aus Osteuropa, dessen angesehene Familie im Krieg alles verloren hatte und er mit nichts nach Erlenbach  kam und arbeitete und schuftete, um hier wieder als jemand zu gelten, aber er wurde, blieb trotz allem irgendwie der Flüchtling.
Ich denke an die vielen Migranten, Gastarbeiter, von denen man permanent fordert, sich zu integrieren. Sie können sich anstrengen soviel sie wollen, sie bleiben Ausländer, wenn die Inländer es so sehen wollen. Irgendetwas kann man immer finden, was noch anders ist.  
Wie sehr machen sich Politiker abhängig von der Zustimmung der Wähler, wollen es ihnen recht machen. In öffentlichen Castingshows, was müssen sich die Kandidaten alles anhören, was sie hätten anders und besser und richtiger machen sollen, immer in Angst und Sorge, dass der Daumen der Jury nach unten zeigt.
Es ist drin im Menschen der Wunsch, dazugehören wollen und die Angst, nicht dabei sein zu dürfen.
Und das lässt sich so leicht ausnutzen:
Angstmache ist immer auch ein Mittel der Macht: „ Wenn ihr Bürger, Gläubigen, Gläubiger, Arbeitnehmer, euch nicht so und so verhaltet, dann droht die Hölle, die Katastrophe, dann geht’s mit der Wirtschaft bergab, dann stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, dann kommen die Kommunisten an die Macht, dann kaufen uns die Chinesen auf, der Russe kommt wieder und der Terrorismus breitet sich aus.“
Fundamentalismus - es unbedingt so und nur so machen zu sollen - ist verbreitet, in der Religion, in der Wirtschaft, in der Politik, in der Schule, in Beziehungen, in Vereinen. Wenn nicht, dann aber! Angstmachen heißt herrschen und beherrschen wollen.   
Die Kirchenglocke läutet dagegen an: Wo der Geist des Herrn, da ist Freiheit.
„Der Mensch wird gerecht ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, so Paulus. Er versteht Gott ganz anders: nicht mehr als gnadenlos scharf urteilenden, misstrauisch, zornigen Richter, vor dem eigentlich niemand bestehen kann, sondern einer, „der die Liebe ausgegossen hat in unsere Herzen und wir Frieden gefunden haben mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“. Seine Seelen- und Gemütsverfassung hat sich gedreht von angsterfülltem Misstrauen hin zu erlöstem, freien Vertrauen und er bekennt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“.
Das Leben ist und bleibt  immer auch verworren, heillos, fragwürdig, ängstlich, gewaltsam, ungut. So ist es und so wird es sein. Aber die Liebe Gottes bleibt und wir dürfen uns einem seelenguten Gegenüber zuwenden. „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater“. Von guten, von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Wer diese Freiheit in seiner Seele gefunden hat, findet Gelassenheit, Gottvertrauen und kann doch fast gar nicht anders, als sie in seinen Alltag hineinzuleben: Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor. Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Lasst alles geschehen zur Erbauung.  Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. … Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.
Im Matthäusevangelium sagt Jesus: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und ihnen Gewalt antun, aber so soll es nicht sein unter euch, sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie auch der Menschen Sohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele. Freiheit ist, wo einer zum anderen sagt, hier bist du wer, hier darfst du sein, wie Gott dich geschaffen hat. Komm herein. Sei da, sei willkommen, hab keine Angst.
Unter diesem Dach, unter diesem Glockenwort "Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit", da darfst du, kannst, was Dich gefangen hält, was dir die Freiheit nimmt, loslassen und hier Mut finden für deinen Weg ins Freie, in die Freiheit. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
Glocke 1 läuten lassen.
Glocke 2 dazuschalten, Glocke 1 abschalten.

Christus spricht: "Siehe, ich mache alles neu!" So steht es auf der zweiten Glocke. „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen sein und sie werden sein Volk sein und er selbst Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen und der auf dem Thron saß sprach: Siehe ich mache alle neu. So steht‘s in der Offenbarung, gesagt an Bedrängte.
Nichts muss bleiben, wie es war. Alles kann auch wieder anders werden. Schluss damit! Schluss damit, was Tod und Leid und Schmerzen mit sich bringt.  
Du bist nicht geboren, um zu leiden, sondern um zu leben, um gut zu leben, um immer wieder von Neuem gut zu leben.
„Betrachte die Dinge mal von einer anderen Seite, als du sie bisher sahst; denn das heißt, ein neues Leben beginnen.“ Wie du dein Leben empfindest, hängt auch davon ab, wie du es betrachtest, wie du es deutest, wie du es verstehst.
In Gottesdiensten machen und werkeln wir nichts: Wir singen, hören, beten, sprechen, damit sich die Seele bewegt oder etwas loswerden und ablegen kann, damit du einen neuen Gedanken findest, ein anderes Gefühl zu dir, der Welt und dem, was dich beschäftigt. Entdeckst du dabei Kräfte in dir und eine große Kraft über dir, findest du auch den Mut, dich zu lösen und Neues zu wagen, zu widersprechen, neue Beziehungen zu knüpfen, schlechte Gewohnheiten sein zu lassen.  

Nichts muss bleiben, wie es ist! „Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“.
Auch Senioren in hohem Alter können noch paddeln gehen und Spaß haben.
Auch Flüchtlinge können nach Armut und Gewalt hier unter uns das Lachen wiederfinden.  
Auch Einsame können unter diesem Dach im Club Anschluss finden.
Auch können und sollen wir die Welt nicht nur mit den Augen der Ökonomen, Politiker, Journalisten, Sportler, Wissenschaftler betrachten, sondern die Welt mit den Augen Jesu sehen.  
Auch können wir immer wieder den guten Kontakt zu anderen Religionsgemeinschaften suchen und versuchen, uns zu verstehen und zu verständigen.
Auch hoffen wir über den Tod hinaus:
Ja: Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub.
Aber: Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.
Nichts muss bleiben, wie es ist.
Und wo Tod ist und Leid und Geschrei und Schmerz, da regt sich Widerstand, im Himmel wie auf Erden.
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen und der auf dem Thron saß sprach: Siehe, ich mache alles neu.