In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Weise werden - naturnäher leben

Die Europawahlen sind vorbei. Die einen haben's gewußt, die anderen merken‘s jetzt: Umweltschutz ist ein großes Thema.
Erschreckend. Bedrückend die Meldung vor ein paar Wochen: 1 Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht, wenn wir weitermachen wie bisher.
Wir müssen eine "Spiritualität der Genügsamkeit" entwickeln - die große Aufgabe der Kirchen und Religionen miteinander in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Ein einfacher Grundsatz dazu: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will" (Albert Schweitzer in: Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben). Fjodor M. Dostojewskij meinte: "Liebet die ganze Schöpfung Gottes! Sowohl den ganzen Erdball, wie auch das kleinste Sandkorn. Jedes Blättchen liebet, und jeden Sonnenstrahl! Liebet alle Dinge! Wenn ihr das tut, so werden sich euch in ihnen die Geheimnisse Gottes offenbaren". Was man kennt und schätzt und dann bewundert und vielleicht sogar auch liebt, macht man nicht leichtfertig kaputt und walzt es nieder.

Wir brauchen jetzt, wo‘s darauf ankommt, Verstand, Vernunft und Weisheit, sonst wird es schlimm kommen.
Wir wissen: Ein „Weiter so“ - führt ins Unglück, ins Unheil.
Nutzen wir jetzt nicht Verstand, Vernunft und Weisheit, Erfahrungen, Herzenswärme werden wir unserem Menschsein nicht gerecht.

Weisheit ist nicht die kalte Intelligenz: Wie erlange ich den größten Vorteil für mich, für meine Firma, für die Nation, sondern wie können wir im Kleinen und im großen Ganzen so leben, dass unser Leben nicht übermäßig schadet, trotzdem Freude macht, nicht der Gier verfallen, sondern sorgsam und genügsam, geduldig, langfristig gedacht. Weisheit hat viel mit Ehrfurcht zu tun, Ehrfurcht vor dem Schöpfer und der Schöpfung, Ehrfurcht vor dem Leben.

Die heiligen Schriften bemessen der Weisheit einen großen Wert bei, sie gehört zur Welt seit Anbeginn, ist Teil der Schöpfung. Sie hat etwas Göttliches.
Wir hören sie jetzt selber reden (Sprüche Salomos Kapitel 8, 22-36)

Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.
Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.
Als die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.
Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens.
Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten!
Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind!
Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore!
Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn.
Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.


Wer mich findet, der findet das leben. Wer mich verfehlt, zerstört sein leben.

Wir brauchen in den kommenden Jahren  und Jahrzehnten eine Schöpfungsweisheit, eine Schöpfungsspiritualität, wie sie frühere Generationen vermutlich noch eher in sich bewahrten hatten, wo viele in und mit der Natur gelebt haben, wo es lebensnotwenig, ja überlebensnotwendig war zu wissen, welche Pflanzen, welches Tier wie lebt, welche Heilkraft und welchen Nutzen sie bringen für den Menschen, für das große Ganze. Das Leben war mühsamer, anstrengender. Aber man war auf dem Land dichter dran – an der Natur?
Wir müssen wohl „Natur-Völker“ werden. Nicht zurück auf die Bäume, aber unser Technik-Verständnis so nutzen, dass es eben nicht schadet. Industrie-Nationen dürfen nicht mehr so wirtschaften, dass sie ihre Technik dafür benutzen, die Erde nach Rohstoffen rücksichtslos auszubeuten und nur tote Erde zurückbleibt.
Papst Franziskus mahnte: Diese Wirtschaft tötet.
Geht das?

Es geht auch um Status-Symbole: Wenn heute einer zeigen will, dass er was hat und erreicht hat – dann geht der Wohlstand doch in viel große Häuser und viel zu schnelle und spritfressende Autos.
Was zeigt man damit den anderen? Wer künftig was auf sich hält und viel Geld übrig hat, der kaufe dann Industriebrachflächen auf und renaturiere sie und lege einen naturnahen Wildgarten an, schaffe neue, vielfältige „Lebens-Räume“.

Heute arbeiten nur noch wenig Menschen in der Natur, die meisten gehen darin ‚nur‘ spazieren, radeln hindurch, besuchen scharenweise markante Natur-Orte, aber echtes Wissen, echte Ehrfurcht vor den Lebewesen um sich herum, wer hat sie wirklich?

Vor wenigen Wochen wurden wir in der Christuskirche von einem Gärtnermeister beraten, wie wir unsere Fläche naturnah gestalten können. Wir hatten uns dafür beim Nabu Baden-Württemberg beworben.  Der Gärtnermeister hatte Ahnung, Erfahrung und Lust, uns dabei zu helfen, wie wir das hinbekommen, dass da draußen wieder mehr Insekten und Vögel sich ausbreiten und das bekommen, was sie an Nahrung brauchen, mit der sie was anfangen können, die sie stark und satt macht. Stichwort "heimische" Pflanzen. Ich habe diese Beratung dokumentiert und einen Film dazu gemacht. Auf der Homepage anzusehen und nachzusehen.
Es waren auch ein paar ältere Damen schon jenseits der 70 dabei, die so richtig Ahnung hatten von den Pflanzen, wann man sie sät, welchen Standort sie bevorzugen, wann sie blühen, wie sie schmecken, welche Krankheiten sie lindern können, was gut für einen Kräutertee ist oder für Marmelade. Die neuen Konfirmanden haben schon im Garten gewerkelt unter Anleitung der Damen. 
Ich schau mir seit kurzem genauer die Gärten an und staune, wie naturnah doch viele Menschen  hier im Ort das Grün an ihrem Häuschen pflegen; aber es breiten sich auch tote „Steingärten“, nein Steinwüsten aus - leblos udn pflegeleicht. Ich interessiere mich bei der Bundesgartenschau für die Pflanzen und Kräuter. Die Gemeindeverwaltungen, auch in Erlenbach, pflanzen heimische Kräuter und Blumen auf ihren Grünflächen an. Mähen nicht alles weg, sondern lassen immer auch noch einen bunten Grünstreifen stehen.
Da tut sich was in Sachen Naturwissen und Schöpfungsweisheit! 

Naturwissen, Naturweisheit, von der ich bis vor ein paar Monaten dachte, ich brauche sie nicht. Gibt’s doch alles zu kaufen. Die Feldarbeit lässt man die immer weniger werdenden Bauern machen, von denen man dann immer mehr Erträge verlangt werden, mit Einsatz von Düngern und Pestiziden, mit immer größeren Maschinen und Traktoren, die immer größere Flächen brauchen mit möglichst einer Pflanzensorte, so dass man effizient bewirtschaften kann und was verdient. Der Kostendruck ist enorm. Rücksicht auf brütende Vögel in den Pflanzen, auf Insekten, unberührte Grünstreifen – das kostet nur. Jetzt bekommen wir die Rechnung für rücksichtsloses Wirtschaften.

Würde die geschundene Kreatur schreien können, wir müssten uns bei dem Geheule vermutlich die Ohren zuhalten, die Fische, die in kilometerlangen Netzen eingesackt werden und vieles‚ nutzloser Beifang ist, der tot wieder ist Meer zurückgeworfen wird, die Bienen die von Pestiziden vergiftet und besinnungslos werden, die Kröten, die verhungern, die Liste wäre lang – würden sie schreien können, es würde erbärmlich klingen. Aber nun verschwindenund sterben aus, weil wir uns ausbreiten. 
Die Frage: Haben wir die Vernunft und die Weisheit, so zu leben und zu wirtschaften, dass sich vielfältiges wieder Leben mehr entfalten und ausleben kann?

Vielleicht hat der eine Satz der Bibel verhängnisvoll die Ausbeutung legitimiert: "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht" (1. Mose 1, 28)
Herrschen – Niedermachen? Verdrängen? Ausrotten?
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde – die Erde ist nun aber voll genug mit Menschen. Es wäre an der Zeit, diesen Satz von einst zu streichen und zu ersetzen: Sorgt dafür, dass ihr nicht noch mehr werdet - eher weniger. Nicht 'bevölkert' die Erde, sondern 'entvölkert' sie nach und nach und werdet weniger in den kommenden Generationen – friedfertig. Machet euch nicht die ganze Erde untertan, sondern schafft den Tieren und Pflanzen Lebensräume, die ihr einfach in Ruhe und Frieden lasst“.

Verdammt die verdammte Wachstumsideologie aus eurer halbstarken Weisheit, die keine Alternative zu kennen scheint, die keine Alternative erlaubt zu denken, als Wachstum, Wachstum über alles. Eine Kultur der Genügsamkeit schafft kein permanentes Wirtschaftswachstum, schafft aber ein Wachstum an Verbundenheit und Respekt vor dem Leben um einen herum, das auch leben will.
Haben wir soviel Verstand und Weisheit, dass wir umsteuern, umdenken, umfühlen, umkehren, umwirtschaften? Es bleibt wohl nicht mehr viel Zeit. 
Oder müssen wir skeptischer sein und unserem Verstand doch nicht so viel zumuten. „Frißt Gier Hirn?“, wie manche sagen. Oder etwas poetischer gedichtet von Goehte im Faust, wo Mephisto, Gottes Widersacher Gott anklagt und sagt:
'Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.'

Vernunft - nur der Schein des Himmelslichts, nur scheinbar etwas Göttliches? Der Menschen denkt zwar von sich hoch, aber in Wirklichkeit ist er doch ziemlich unvernünftig? Wir wissen, es gibt Grenzen der Vernunft, spätestens an der Kasse. Der Preis entscheidet, entscheidet auch; deshalb gehört es wohl heute auch zur Weisheit, mit Preisen eine Volkswirtschaft zu steuern: Umweltverträgliches Handeln belohnen und umweltschädliches Verhalten verteuern. Vernünftig erhobene Steuern, um eine Gesellschaft auch mit finanziellen Mitteln in eine lebenserhaltende Zukunft zu steuern.  

Wir sollen, wir können doch mit unserem Verstand viel machen, viel gestalten, wenn das Herz dabei ist, wenn wir auch für das größere Ganze mitdenken, auch für die Generationen, die nach uns kommen werden, wenn wir uns Sorgen machen, wenn wir mit anderen nach Auswegen suchen, wenn wir uns überwinden, wenn wir den Mut haben, neu und anders, nun naturnäher und naturverbundener zu denken und zu fühlen und zu leben und uns manchem Irrsinn verweigern - oder?