In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Und wieder trauert ein Volk

Menschen haben sich bereit gemacht, ließen sich bereit machen, andere so sehr zu verachten und so gering zu schätzen, dass sie meinten, sie töten zu dürfen, seien es Hunderte wie jetzt in Paris, seien es Hunderttausende in Syrien, seien es Millionen in Europa vor drei Generationen. Krieg ist allzu oft auch ein Geschäft, das sich lohnt. 

Einige sind schon so alt, dass sie noch im zweiten Weltkrieg geboren wurden und ihn überlebt haben. Sie haben Tod, Leid und Trauer über gefallene Väter erlebt, haben Städte in Trümmern gesehen; sie mussten fliehen in ein unbekanntes Gebiet, waren nicht willkommen, mussten ruhig sein, durften nicht trauern, sondern arbeiten und irgendwie zusehen, dass man wieder zu Brot und Lohn kommt. Die Großmächte bestimmten über das Land, das aufgeteilt wurde, durch das eine Mauer mit Stacheldraht und Schießbefehl gezogen wurde. Das Land war hochgerüstet mit Atombomben. Die Großmächte drohten einander vollständig zu vernichten. Vieles ist anders geworden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte und dennoch wirkt es weiter fort. Am Volkstrauertag heute wird man sagen und hören: „Die Opfer mahnen uns zum Frieden."

Je schlimmer das Kriegsgrauen, desto größer die Friedenssehnsucht. Worte des Propheten Micha:

Das kommende Friedensreich Gottes

In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen,  und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.  Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.  Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet. Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich! (Micha 4, 1-5).

Es ist heute kaum vorstellbar, dass Deutschland gegen Frankreich Krieg führt oder Spanien gegen England oder Italien gegen Kroatien. Die Europäische Union hat sich entschlossen, Konflikte am Verhandlungstisch beizulegen. Welch ein Fortschritt!  Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Und dennoch sehen und hören wir, wie Kriege geführt werden und wie Menschen fliehen. Und sie tragen die Bilder und Erinnerungen mit sich von zerbombten Städten, von willkürlicher Verhaftung, von Folter, vom Ausharren in Bunkern, von der Flucht, auf der auch Menschen sterben. Die Menschen dieser Völker trauern, aber nicht vereint miteinander, sondern viele, die es hierher geschafft haben für sich, in ihren Familien, mit Freunden, selten mit Fremden. Die Flüchtlinge sind noch nicht organisiert, sie kämpfen um Brot und Lohn und Ausbildung und Wohnung. Sie wollen nicht jammern in der neuen Heimat, wollen sich freundlich und halbwegs gut gelaunt zeigen. Sie haben noch keinen öffentlichen Trauertag. Vielleicht wird es in den kommenden Jahren mal so weit sein, dass die einstigen Flüchtlinge miteinander betrauern können, was Schreckliches geschehen ist.

Dietrich Bonhoeffer hat bei einer ökumenischen Friedenskonferenz in Fanö 1934 gesagt: "Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, dass die Welt es hört, zu hören gezwungen ist, dass alle Völker darüber froh werden müssen? Der einzelne Christ kann das nicht – er kann wohl, wo alle schweigen, die Stimme erheben und Zeugnis ablegen, aber die Mächtigen der Welt können wortlos über ihn hinwegschreiten. Die einzelne Kirche kann auch wohl zeugen und leiden – ach wenn sie es nur täte –, aber auch sie wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, dass die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muss und dass die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt." …. „ Und er sagte auch: Aufgabe der Kirche besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen."

Am 21. Oktober 2016 habe ich meinem, unserem Bischof einen Brief geschrieben, weil immer wieder davon gesprochen wurde, die Fluchtursachen zu bekämpfen. 

Sehr geehrter Herr Bischof, lieber Herr Dr. July, 

Rami, die letzten drei Jahre lang in einem Gefängnis in Homs ausgehungert und geschlagen, ist vorgestern der Pein erlegen und gestorben. Er ist der Bruder von Frau Randa Mando, die seit einigen Monaten in unserer Gemeinde betreut wird und für die und deren Familie wir seitdem verantwortlich sind. Sie sind unsere Nächsten geworden, die unter die Räuber und Gewalttäter gefallen sind. Beizustehen ist das eine, für sie die Stimme zu erheben, ist das andere: Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind. In den Tränen höre ich ihren verzweifelten Ruf: „Stop! Stop! Stop!“ 

Der Krieg ist ein Krieg des Assad-Clans und ein Stellvertreter-Krieg der Groß- und Regionalmächte, die das Leben von Millionen von Bürgern, Männer, Frauen und Kinder, opfern. Sie foltern, vergewaltigen, vertreiben, ermorden Menschen, liefern Waffen für ihre strategischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen und bringen auch Leid über die, die geflohen sind und uns von Gott in unseren Gemeinden nun anvertraut sind. Ich bitte Sie deshalb eindringlich, dass „die Kirche“ das Kriegstreiben öffentlich und laut als Sünde benennt. 

„Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein,“ (Mt  20, 25f)

Es ist Zeit für einen Protestschrei. Er gehört in die Advents- und Weihnachtszeit, die Hoffnungs- und Widerstandszeit: Dem permanent kriegslüsternen römischen Reich, repräsentiert durch den selbsternannten ‚Augustus‘, wird der einfache Junge in der Krippe entgegengehalten, der später dann gekreuzigt wird. Der Protestschrei gehört auch in die Passionszeit, in der wir uns die Geschichten gewalttätiger, brutaler Herrscher vergegenwärtigen und auf das Leid und den Schmerz des Menschen- und Gottessohnes sehen.

Trotz alledem soll die Sehnsucht nach Frieden zumindest in den Gemeinden wachgehalten und gelebt werden: „So soll es nicht sein unter euch“. Eine Demonstration von vielen, vielen Menschen? Vor den Botschaften von Syrien, Russland, Amerika, dem Iran, Saudi-Arabien, Katar, Sudan, Jemen, Äthiopien und anderen, auch vor dem Kanzleramt, mit der Losung: „Herrscher halten ihre Völker nieder und die Mächtigen tun ihnen Gewalt tun. So soll es nicht sein.“ Die Kirchen müssten dazu aufrufen. Und es sollen kommen, die helfen und die Sorgen haben, ob es zu schaffen ist - zusammen mit den Geflohenen.

Bestimmt ist auch eine andere Aktion denkbar, bei der in den kommenden Wochen und Monaten sich viele Menschen beteiligen können, um ihren hilflosen Unmut über die menschenverachtende Brutalität zum Ausdruck zu bringen. Vielen ist bei aller unmittelbaren Hilfe danach. Nochmals die herzliche und dringende Bitte: Bitte treten Sie als Vertreter und Sprecher der Kirche mit Ihren Amtsgeschwistern und mit den Kirchengemeinden dem Ungeist des Krieges mit dem Geist Christi entgegen. Unüberhörbar.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Stauffert, Pfarrer an der Ev. Christuskirche in Erlenbach 

Keine Antwort. Ende November tagt die Bezirkssynode des Kirchenbezirkes Neuenstadt. Vertreter aus allen Gemeinden treffen sich und beraten auch zu diesem Thema und ich werde dort meine Gedanken einfließen lassen. Vielleicht richtet die Synode eine ähnliche Bitte an den Bischof.

In der Christuskirche  werden wir im Advent, am Freitag, den 4., 11. und 18.  Dezember um 18 Uhr für den Frieden beten. Denn es geht bei all den Bemühungen um die Vision des Micha, die den allermeisten Menschen innewohnt: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.

Krieg ist dumm und zerstört, nicht nur die Opfer, sondern auch die Seelen und Leiber der Täter.

Wir müssen achtgeben, nicht nur in diesen Tagen, dass die Mischung aus Wut, Verunsicherung und Trauer nicht blind macht und der Hass der Terroristen nicht auf uns übergeht und wir uns militarisieren im Denken und Handeln. Wir müssen darauf achtgeben, wohlwollend, respektvoll und freundlich mit den Flüchtlingen, den neuen Mitbürgern, den Reingeschmeckten umzugehen, die vor der Gewalt geflohen sind. Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es auch wieder heraus. Es bewahrt uns alle vor Radikalisierung.

Betrachten wir die Lage als eine Prüfung: Der Weltenherrscher kommt zu uns als Fremder und wir werden ihn dann hoffentlich gut aufnehmen. Zum Dank gibt‘s das ewige Leben, ein Leben in Frieden.