Um des Friedens willen - eine Charta der Vereinten Religionen.
Jesaja hat genug vom Krieg und der Gewalt und dem Leid: Völkerfeindschaft kann doch nicht im Sinne Gottes sein. ‚Hört auf mit feindseliger Propaganda. Hört auf, einander zu besiegen und zu vernichten. Baut Werkzeuge, die nicht mehr der Zerstörung, sondern dem Wohlergehen dienen. Hört doch nicht auf die Militärstrategen, hört auf die Weisungen Gottes‘.
Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:
Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN! (Jesaja 2, 1-5)
„WIR, DIE VÖLKER DER VEREINTEN NATIONEN - FEST ENTSCHLOSSEN,
künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,
unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,
Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,
den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern,
UND FÜR DIESE ZWECKE
Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben,
unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren,
Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird, und
internationale Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, um den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker zu fördern -
HABEN BESCHLOSSEN, IN UNSEREM BEMÜHEN UM DIE ERREICHUNG DIESER ZIELE ZUSAMMENZUWIRKEN.
Ziele und Grundsätze:
Artikel 1
1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen;
2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen;
3. eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen;
4. ein Mittelpunkt zu sein, in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele aufeinander abgestimmt werden. …“
Die Charta der Vereinten Nationen ist der Gründungsvertrag der Vereinten Nationen (United Nations). Ihre universellen Ziele und Grundsätze bilden die Verfassung der Staatengemeinschaft, zu der sich alle inzwischen 192 Mitgliedstaaten bekennen. Die Charta wurde zum Abschluss der Konferenz über eine internationale Organisation am 26. Juni 1945 in San Francisco von 50 Gründungsstaaten unterzeichnet und ist am 24. Oktober 1945 in Kraft getreten.
Wir wissen und wir sehen, Anspruch und Wirklichkeit gehen auseinander. Kein Land ohne Militär, ohne Rüstung, ohne Aufrüstung. Keine Zeit, ohne dass irgendwo auf der Welt gekämpft wurde, gekämpft wird. Aber wie, wieviel schlimmer, würde die Welt ohne die Charta und ohne die Selbstverpflichtung aussehen? Vielleicht hat die Charta ja dazu beigetragen, zu lernen und zu üben, manch aufziehenden Konflikt geduldig und friedlich zu entschärfen.
Zur letzten Zeit werden alle Heiden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, dass er uns lehre seine Wege. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Auf dem Berg Zion ist eine Art internationaler Gerichtshof. „Vor den Völkern macht er seien Gerechtigkeit offenbar. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist“ (Psalm 98).
Eine Utopie aus einer Hilflosigkeit heraus? Zur letzten Zeit werden die Heiden herzulaufen. Gerechtigkeit und Friede wenn nicht jetzt, aber dann! Irgendwann! Ganz bestimmt! Zur letzten Zeit.
Wenn sich die Religionen als die verstehen, die Gott und den Menschen dienen wollen, die irgendwie Gottes Willen verkünden und leben wollen, dann muss ihre wichtigste Aufgabe sein, Frieden einzuüben. Ist das so?
Wir sehen, dass Religionen nicht unbedingt Gräben zuschütten und Brücken bauen, sondern auch dazu dienen und dazu benutzt werden, aufgeheizte Konflikte anzufeuern, Gesellschaften zu trennen – bewusst oder unbewusst.
500 Jahre Reformation werden derzeit gefeiert, vor allem die Leistungen und 95 Thesen Martin Luthers. Seine erste These lautet: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“ u.s.w. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll. Hat die evangelische Kirche im Jubeljahr auch darüber nachgedacht, was sie in den vergangenen fünf Jahrhunderten an Schaden angerichtet hat?
Buße und Umkehr und Reue sind der Beginn von vertrauensvollem Frieden, auch der Konfessionen und Religionen untereinander und miteinander.
Religionen spielen im kulturellen Leben der Bürger eine größere Rolle als vermutet und gedacht. Religionen sind entstanden auch aus der Abgrenzung von teils dekadentem, selbstgenügsamen und ‚wert-losem‘ Gehabe und tragen deshalb viel Konfliktpotential in sich. Religionen tragen gleichzeitig aber auch die Sehnsucht nach einem ‚wert- und sinnvollen‘ Leben weiter, das alle Menschen schätzt, mehr noch - die Schwächeren gar höher schätzt und ihnen mehr Achtung und Respekt zuerkennt als den überheblich-selbstgefälligen Mächtigen und Starken.
Haben die Vertreter der Kirchen, Synagogen, Moscheen und Tempel die mutige Kraft und die große Liebe, sich zusammenzutun und gänzlich uneigennützig Gottes Weisung an die Welt zu verkünden und einzufordern? „Keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden!" (Hans Küng, Stiftung Weltethos).
Müsste eine kritische Weltöffentlichkeit auch die Religionen auf eine Art „Charta der Vereinten Religionen“ verpflichten, sich im Sinne des gesellschaftlichen Friedens stark zu machen, sichtbar vertrauensvolle Brücken zu anderen Religionen zu bauen und sich ihren gewaltvollen Expansionsgeschichten selbstkritisch zu stellen.
Eine Vision, eine Hoffnung:
Es werden zur letzten Zeit, irgendwann viele Völker hingehen und sagen: Kommt, lasst uns zu den heiligen Stätten in der Welt gehen, dass wir deren schöne und friedensstiftende Wahrheit hören. Und überall werden wir achten auf Gottes Zurechtweisung und Urteile über die Völker. Da werden sie ihre Panzer zu Traktoren und ihre Gewehre zu Gartentoren schmieden. Denn es wird kein Volk über dem anderen Bomben abwerfen, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, lasst uns wandeln im Licht Gottes !
Nachtrag:
In Crailsheim haben sich Stadtverwaltung und 16 Religionsgemeinschaften auf den Weg gemacht und im Juni beim „Fest der Religionen“ eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Arbeit an einer „Charta der Religionen“ in Crailsheim unterzeichnet:
Oberbürgermeister Rudolf Michl für die Stadt Crailsheim,
Gemeindeleiter Johann Groß für die Adventgemeinde,
Imam Umar Shakeel für die Ahmadiyya Muslim Jamaat,
Hasan Soya für die Alevitische Gemeinde,
Pastor Sebastian Bukowski für das Christliche Zentrum der Volksmission,
Pastor Hannes Neubauer für die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde,
Pfarrer Jürgen Wienecke für die Evangelisch-Lutherische Emmausgemeinde (SELK),
Pastor Holger Mayer für die Evangelisch-methodistische Gemeinde,
Pfarrer Uwe Langsam für die Evangelische Johanneskirchengemeinde,
Pfarrer Ulrich Wildermuth, Beauftragter für den Dialog mit dem Islam und für Weltanschauungsfragen, für den Evangelischen Kirchenbezirk Crailsheim,
Vorsitzender Hüseyin Şeker für den Islamischen Kulturverein Crailsheim (DITIB), Colin Bingel für die Jesus Freaks,
Pfarrer Franz-Josef Konarkowski für die Katholische Kirchengemeinde St. Bonifatius und Dreifaltigkeit,
Dekanin Friederike Wagner für die Kirchengemeinden der Evangelischen
Landeskirche in Crailsheim,
Klaus Haberkorn für die Neuapostolische Kirche und Gemeinschaftspastor
Volker Müller für den Süddeutschen Gemeinschaftsverband.
Pfarrer Eyub Aksoy für die Evangelische Christuskirchengemeinde.
Die Absichtserklärung zur gemeinsamen Arbeit an einer „Charta der Religionen“ in Crailsheim lautet:
„Die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die in Crailsheim leben, bekennt sich zu einer Religion. In dem Bewusstsein, dass uns, den in Crailsheim tätigen Religionsgemeinschaften, kirchlichen und konfessionellen Gemeinden und Gruppen, eine große Verantwortung für das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt zukommt, bekunden wir anlässlich des heutigen „Festes der Religionen“ mit unserer Unterschrift die Absicht, gemeinsam an einer „Charta der Religionen“ in Crailsheim zu arbeiten.
Damit wollen wir ein Forum schaffen, das es uns erlaubt,
- uns in unseren religiös-theologischen Grundanschauungen und Überzeugungen sowie in unserer konkreten kirchlich-gemeindlichen Arbeit besser kennenzulernen,
- in einem ehrlichen Dialog die Übereinstimmungen in unseren Glaubenszeugnissen festzuhalten und über Unterschiede gesprächsfähig zu werden,
- auftauchende Probleme, Missverständnisse und Konflikte auf der Basis von Offenheit und gegenseitigem Verständnis zu diskutieren und beizulegen,
- auf diese Weise einen Beitrag zu einem gedeihlichen Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religiosität hier in Crailsheim und zum Wohle der Stadt zu leisten.
In unserer gemeinsamen Arbeit an einer „Charta der Religionen“ in Crailsheim leiten uns die folgenden Grundsätze:
1. Wir respektieren die unantastbare Würde eines jeden Menschen und beachten die daraus resultierenden Menschenrechte, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgehalten sind. Dies betrifft besonders die Bestimmung, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
2. Wir respektieren insbesondere das Recht auf Religionsfreiheit, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland formuliert ist.
3. Wir begegnen der fremden Religion, ihren Gläubigen und Anhängern, aber auch nichtgläubigen Menschen mit Respekt und in einem Geist der Toleranz und der Verständigungsbereitschaft. Dies schließt gegenseitiges Interesse und Bereitschaft zum Dialog ein.
4. Wir verleugnen unseren eigenen Glauben nicht, zwingen ihn aber niemandem auf. Religionsfreiheit schließt jeden Zwang, jede Gewalt und jede Manipulation in Glaubensdingen aus.
5. Wir sind bereit, den interreligiösen Dialog auf der Basis der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung zu führen. Herablassende Äußerungen, in welche Richtung auch immer, insbesondere Islamfeindlichkeit und Antisemitismus, aber auch gegen Christen gerichtete feindselige Einstellungen, haben hier keinen Raum. Wir bringen stattdessen den ganzen Reichtum unserer religiösen Tradition in den Dialog ein.
6. Wir wollen den eigenen Glauben so vertiefen, dass er sprachfähig wird. Denn eine Brücke ist nur dann stabil, wenn die Pfeiler fest verankert sind.
7. Wir wollen erkunden und ausloten, was wir als kirchliche und religiöse Gemeinschaften für das Gemeinwohl unserer Gesellschaft und der Stadt Crailsheim beitragen und tun können – je für uns, da, wo möglich, aber auch miteinander.
Der Prozess hin zu einer Crailsheimer „Charta der Religionen“ findet unter dem Dach der Stadt Crailsheim statt und wird von ihr moderiert.
Kirchlichen und religiösen Gemeinschaften, die sich heute noch nicht in der Lage sehen, diese Absichtserklärung zu unterzeichnen, wollen wir die Tür zu einer späteren Teilnahme auf der Basis der oben formulierten Grundsätze offen halten und sie zur Mitwirkung einladen. Crailsheim, den 18. Juni 2017“
Gut. Wichtig. Notwendig. Heilsam. Friedensstiftend.