In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Hinabgestiegen in das Reich des Todes

Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.
Wir sprechen das Glaubensbekenntnis immer wieder.
Diese Worte beschönigen nicht und verklären auch nicht. Ein Mensch, der das Elend und die Gewalt erleiden muss.
Gekreuzigt, gestorben und begraben. Hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Dorthin gelangt, wo all die anderen hingekommen sind, die in der langen Menschheitsgeschichte hingekommen sind, die auch seit Jahrtausenden gekreuzigt, gepfählt, aufgespießt, erschossen, geköpft, erschossen, bombardiert, vergiftet, vergast, aufgeschlitzt, zu Tode vergewaltigt und gefoltert wurden und werden,
die ihre Schreie, ihr Flehen, die Hilflosigkeit, Demütigungen und Schmerzen ihrer letzten Lebensmomente mitgenommen haben in das Reich des Todes.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Nein, mit dem Tod ist nicht alles vorbei. Die Kriegstreiber, die Befehlsgeber von Einschüchterung, Folter und Mord und die Kriegslüsternen hätten es gerne, dass die Schreie ihrer Opfer auf immer verstummen.
Die brutal Gewalttätigen wollen, dass ihre Opfer weggeschafft, verschwinden, ver-„nicht“et werden, nicht mehr sind.

Hinabgestiegen in das Reich des Todes. Dieser Glaubenssatz aber will die Leiden der Opfer nicht vergessen. Gottes Sohn ist auch dort, im Reich des Todes, als selbst Verhöhnter, Gequälter, Gekreuzigter. Auch dort ist Gott noch.

Gegen das Verschwindenlassen wurde vor ein paar Tagen, am 25. März 2015 die Gründung einer Stiftung im Hospitalhof in Stuttgart  bekanntgegeben. Sie trägt den Namen Elisabeth Käsemann Stiftung.
Am 7. März 1977 wurde Elisabeth Käsemann in Buenos Aires verhaftet und in ein Folterlager verschleppt. Die Soziologin aus Tübingen war in die argentinische Hauptstadt gezogen, um in den Armenvierteln zu helfen, doch die rechtsextreme Militärdiktatur ließ 30.000 Andersdenkende verschwinden. Am 24. Mai 1977 wurde die 30 Jahre alte Deutsche gemeinsam mit 12 weiteren politischen Gefangenen mit Schüssen in den Nacken und Rücken ermordet.
Die Fußball-WM 1978 in Argentinien, mit dem Titelgewinn der Gastgeber, spielte vor allem der regierenden Militärjunta in die Karten. Das Turnier übertünchte die Herrschaft einer der brutalsten Diktaturen Lateinamerikas. Nicht nur ein paar hundert Meter vom Endspielstadion entfernt wurde weiter gefoltert und gemordet. Der Fußball gab sich wie immer unpolitisch. General und Diktator Jorge Rafael Videla sagte wie zum Hohn zur Eröffnung der Fußball-WM: „Ich bitte Gott, den Herrn, dass er aus diesem Ereignis einen Beitrag macht, um den Frieden zu sichern, den Frieden, den wir uns alle wünschen, den Frieden für alle Menschen und die ganze Welt.“
Die Mutter eines Verschwundenen sagt heute: „Wir haben gelebt, wie die Ratten, die sich verstecken mussten. Das war die Diktatur. Du durftest nichts sagen. Wenn du nach deinem verschwundenen Sohn gefragt hast, haben sie gesagt: ‚Du bist verrückt´ und haben dich weggeschickt. Mit der Fußballweltmeisterschaft haben sie ihre blutigen Taten vertuscht.“
Die Nichte von Elisabeth Käsemann, die nun die Stiftung ins Leben gerufen hatte, ist heute Historikerin, war 2009 Nebenklägerin, als endlich den Generälen und ihren Helfern in Argentinien der Prozess gemacht wurde. Vor eineinhalb Jahren reiste sie nach Argentinien, sprach mit Angehörigen anderer Opfer, traf Richter und Menschenrechtler. Sie sagt: „Ich merkte, Globalisierung funktioniert nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in universell-ethischen Bereichen. Das wollte ich nicht verloren gehen lassen.“
Die Stiftung fördert Erinnerungsprojekte in Lateinamerika und Europa auf wissenschaftlicher, politischer und kultureller Ebene. Indem sie dazu beiträgt, die Erinnerung an Diktaturen in Lateinamerika und Europa zu bewahren, festigt sie demokratische Strukturen.
Gespräche über nationale Erfahrungen dienen der Völkerverständigung, dem wechselseitigen Verständnis und der Schaffung einer internationalen Erinnerungskultur, die Mord, staatliche Verfolgung und Folter ächtet.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes. Auch eine Art von Erinnerungskultur, eine Solidaritätsbekundung mit den Opfern.
Das Kreuz steht offensichtlich für Verachtung, Folter und Hinrichtung.
Das Kreuz ist für die Christen ein Symbol von Gottesferne, aber auch Gottesnähe zugleich. 
Der waagrechte Balken bedeutet auch umgehauen, kraftlos da liegen, liegen im Grab. ‚Mein Gott, mein Gott, warum, hat du mich verlassen? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?‘

Der senkrechte Balken steht für aufrechtes Stehen, unbeugsam, leben, in Verbindung mit der Erde unten und dem Himmel oben: ‚In deine Hände lege ich meinen Geist. Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. Es ist vollbracht. Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an‘.

Karfreitag: Ja, das Leben ist zu manchen Zeiten und mancherorts zum Jammern und zum Verzweifeln. So sehr, dass es kaum erträglich scheint.
Wir hier sind heute und hierzulande weit weg von den Zuständen, wie sie zu Jesu Zeiten herrschten. Aber Flüchtlinge und Asylbewerber auf der Suche nach Schutz und Sicherheit tragen die Schrecken mit sich und tragen sie mit hierher.

Karfreitag: Auch und gerade im Elend ist Gott ganz besonders nahe.
Karfreitag: Gewalt lieber erst zu betrauern, als zur Gegengewalt und zur Rache aufzurufen. Diesen Ruf, den Ruf nach Vergeltung, hören wir in keinem der Evangelien.
 
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben, denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass der die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet wird.