In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Matthäus 26, 30-56

Jesus vor dem Hohen Rat
Die aber Jesus ergriffen hatten, führten ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas, wo die Schriftgelehrten und Ältesten sich versammelt hatten.
Petrus aber folgte ihm von ferne bis zum Palast des Hohenpriesters und ging hinein und setzte sich zu den Knechten, um zu sehen, worauf es hinauswollte. Die Hohenpriester aber und der ganze Hohe Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, dass sie ihn töteten. Und obwohl viele falsche Zeugen herzutraten, fanden sie doch nichts. Zuletzt traten zwei herzu und sprachen: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen aufbauen. Und der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts auf das, was diese gegen dich bezeugen?
Aber Jesus schwieg still. Und der Hohepriester sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes.
Jesus sprach zu ihm: Du sagst es. Doch sage ich euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels. Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat Gott gelästert! Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Gotteslästerung gehört. Was ist euer Urteil? Sie antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig. Da spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten. Einige aber schlugen ihn ins Angesicht und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist's, der dich schlug?

Die Verleugnung des Petrus
Petrus aber saß draußen im Hof; da trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa.
Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. Als er aber hinausging in die Torhalle, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.



Nein, ich will dieses Verhör nicht nochmals aufrollen. Ich kann die Beteiligten nicht mehr befragen. Sie sind längst tot. Wir haben eine Zeugenaussage von dem Vorgehen im Haus des Hohenpriesters. Was hat er selbst gehört und gesehen? Was wurde ihm erzählt? Und was hat er wem und warum weitererzählt? Und was macht Matthäus damit? Was ist Dichtung, was Wahrheit?
Die mordlüsternen Spötter sind der Hohepriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten, der ganze Hohe Rat. Aber wo so pauschal angeklagt wird, da geht es nicht, zumindest nicht nur um Aufklärung und Wahrheit, sondern um Stimmungsmache, emotionale Entlastung.
Lieber Matthäus, bestimmt hast du nicht geahnt, dass deine Geschichten zwei Jahrtausende überdauern würden und von Milliarden von Menschen gelesen würden. Du schriebst für eine paar hundert, ein paar tausend Menschen vielleicht, vermutlich in Syrien, wo Christen und Juden nebeneinander lebten und sich eine kleine Gruppe von Jesus-Anhänger von den anderen Juden absetzen und profilieren mussten: In der eigenen Familie geht man oft unerbittlicher miteinander um als mit Fremden.
Die einen haben sich eingewöhnt in die Religion, profitieren und leben davon, die anderen wollen Reform und Erneuerung, manchmal bis hin zum Umsturz. Jesus stürzt am Tempel die Tische der Händler um.  

Wenn man in der Religion streitet, geht es immer um die Fragen:  Wer hat denn Recht? Welcher Weg führt in den Himmel zu Gott und welcher Weg führt in die ewige Verdammnis? Religion ist Leidenschaft, deshalb lässt sich darüber auch leidenschaftlich streiten. Selten segnet eine Religionsgemeinschaft die andere, viel eher wird sie verflucht - auch wenn man es nicht ausspricht und offen sagt.  

Lieber Matthäus, hat du dich nicht auch von der Stimmungsmache gegen den Hohenpriester, den Hohen Rat und die Schriftgelehrten mitreißen lassen?
Ich will mich heute aber nicht anstecken lassen. Da mag es ungerecht zugegangen sein, da waren Macht- und Wirtschaftsinteressen im Spiel, da ging es um Politik in einer sehr gewaltsamen Zeit, in einer sehr gewaltsamen Gegend, mit tausenden von Gekreuzigten und hundertausenden Getöteten und Verhungerten, wo der römische Kaisersohn Titus schließlich den heißgeliebten, goldverzierten, wunderschönen Tempel bis auf die Grundmauern niederbrennen ließ.  

Eine Großmacht versucht sich mit aller Macht zu behaupten; Menschen töten sich aus Verzweiflung und Eifer; Folter und Hinrichtungen sollen einschüchtern und demütigen; die einen fühlen sich kulturell und religiös den anderen überlegen. 

Wenn die Bedrückung unerträglich scheint, greift man zu den Waffen: Freiheit, Selbstbestimmung und Kampf oder unterwürfige Anpassung und seelenloses Überleben?
Versucht man historisches Unrecht immer wieder aufzuarbeiten, versucht man immer wieder Unrecht zu vergelten, kann keine Ruhe und kein Frieden einkehren.
Auge um Auge macht beide blind.
    
 „Verantwortung für ein soziales Europa. Konsequenzen für kirchliches Handeln“ – so hieß eine sozialpolitische Exkursion nach Straßburg mit 20 Pfarrerinnen und Pfarrer aus Württemberg und Baden in der vergangenen Woche.  
Immer wieder war von dem Friedensprojekt Europa die Rede, in der einstige Erbfeinde einen friedvollen Weg  eingeschlagen haben. „Europa“ heißt nicht nur sich im Blick zu haben, sondern immer auch die Interessen der nahen und fernen Nachbarn zu hören und zu bedenken und in langwierigen Prozessen und unendlich vielen Gesprächen immer wieder zu einem Ausgleich kommen zu wollen.
Immer seltener geht in Europa der Blick zurück auf die einstigen Kriege und Schlachten, immer häufiger geht der Blick nach vorne: Was können, was müssen wir  miteinander und füreinander tun für Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit.
Den Kirchen kommt in diesem Europa die Aufgabe zu, für die Armen und Schwachen, Jesu geringste Brüder und Schwestern zu sprechen. Es gibt die Konferenz der Europäischen Kirchen: 120 orthodoxen, anglikanischen, protestantischen und alt-katholischen Kirchen in Europa, es ist ein Zusammenschluss, auch um für die Versöhnung der Völker und eine gemeinsame Verantwortung in Europa zu arbeiten.

Und nun zu Petrus. Lieber Matthäus, nur du erzählst ein paar Kapitel zuvor, davon, dass Jesus ihn beauftragt, auf diesen Petrus, auf diesen Felsen seine Gemeinde zu bauen und ihm die Schlüssel des Himmelreichs zu geben, weil Petrus ihn als erster Jünger als den Christus bekennt.
Und dieser Petrus verspricht großspurig, Jesus nie und nimmer in schweren Stunden allein zu lassen. Aber schon kurz darauf verleugnet er 'diesen Menschen', traut sich nicht einmal seinen Namen zu nennen. Er steht wie ein kleinlauter Feigling da.   
Die Gemeinde ist nicht einem Glaubenshelden anvertraut, sondern einem Menschen, den auch die Angst und der Kleinglaube packen kann.
Alles nur Menschen – die da, die anderen, der ganze Hohe Rat, getrieben von Angst um Rechtgläubigkeit, um den Tempel, Angst, die sich - wie so oft - in Gewalt ausdrückt. Alles nur Menschen – Petrus, der seinen Christus nicht kennen will und allein lässt.
In all den geschilderten Personen sehen wir menschlich Allzumenschliches.
Das macht die Personen uns unangenehm vertraut. Aber klar ist auch: das menschlich Allzumenschliche opfert andere, um sich zu retten - und führt zum Karfreitag. Immer wieder.
Da ist aber einer, der die Ruhe behält und still schweigt und das Unrecht aushält. Das gelingt nur, wenn sich einer bei Gott aufgehoben weiß: Gott, schaffe mir Recht und führe meine Sache wider das unheilige Volk. Denn du bist der Gott meiner Stärke. Warum hast du mich verstoßen? Was betrübst du dich meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Amen.