Hört aufeinander und achtet einander. Beim Erlenbacher Weinfest, Sonntag, 19. September 2018
Gnade sei mit euch und Friede - hier und heute auf dem Markt- und Festplatz. Vor dem Rathaus, in dem das gute und friedliche Zusammenleben beraten und verwaltet wird.
„Seid nicht Gäste oder Fremdlinge, sondern Mitbürger und der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Nicht die Welt einteilen und unter sich aufteilen, sondern miteinander beleben.
Niemand lebt illegal. Jede und jeder ist gewollt, geschaffen, auf der Suche nach Frieden, nach Seelenfrieden.
Schön, dass du da bist.
Gut, dass wir beieinander sind.
Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. (Phil 2, 1-4)
Gerade ist Sommerpause, Ferienzeit.
In diesen Tagen hier in Erlenbach vergnügliche, friedvolle Festzeit. Selbstverständlich? Wie sollte es auch anders sein? Als ich vor den Ferien unterwegs war, da jammerten viele über den Umgang miteinander, zumindest, wie es sich öffentlich 'abspielt'.
Probleme gibt immer und überall auf der Welt. Aber es hörte sich so an, als ob man den Verstand und die Vernunft zu verlieren drohte. Wer mit brachialen Worten draufhaut, dem schenkt man Gehör, dem hält man das Mikrophon an den Mund, dessen Tiraden werden in die Welt hinein gesendet, geschrieben, gepostet, getwittert – auf allen Kanälen.
Mir geht es fast schon so, dass ich schon gespannt bin, was heute oder morgen rausgehauen wird. Wenn nichts Ungeheuerliches kommt im Radio, im Fernsehen, in der Zeitung, im Internet, dann wird’s fast schon wieder langweilig: ‚Hat heute mal keiner einen Streit angefangen, auf irgendjemandem herumgetrampelt und ihn für alles Schlimme in der Welt verantwortlich gemacht?‘
Schlagwörter, die anfangs noch Empörung hervorrufen, werden empört wiederholt und wieder und wiedergegeben, bis sie dann allmählich ins Unterbewusstsein dringen und dort heimlich verschwinden, aber trotzdem weiterwirken, uns bestimmen und zu selbstverständlichen Umgangswörtern werden.
Weghören? Überhören? Totschweigen?
Aufpassen, was man hört!
Aufpassen, was man sagt!
Die Stimmung heizt sich vermutlich bald wieder an und auf. Es herrscht seit Monaten und Jahren Stress.
Manche, die dem Pöbeln entgegentreten und widersprechen, haben es schwer, werden vorsichtig.
Ich hätte nicht gedacht, dass wir wieder lernen müssen, vernünftig zu streiten, vernünftig zu diskutieren:
Argumente einbringen, zuhören, abwägen, nach Lösungen suchen, die alle Beteiligten berücksichtigen, so dass sich niemand übergangen fühlt. So lernt man es in der Schule, nur so funktioniert ein Verein, eine Gemeinde, das Gemeinwesen.
Aber verlässt man einmal dieses Streit-Prinzip und lässt nur gelten, was ein Starker und Mächtiger und Anführer verkündet, dann zerfällt diese Gesprächs-, Streit- und Friedenskultur.
Dann breitet sich ein Bandenwesen aus: man muss sich zu einer Bande mit einem Anführer halten, der einen schützt vor den übelmeinenden Übergriffen der anderen, der die Macht hat, die eigenen Gruppeninteressen durchzusetzen. Dann gilt das Prinzip: Wer nicht für uns ist, muss gegen uns sein.
Es baut sich ein Klima auf: Wir gegen die anderen. Die anderen gegen uns.
Wer mit diesen Gedankengefühlen unterwegs ist, verfestigt seine Meinung und Haltung gegenüber den anderen und traut ihnen allmählich immer weniger Einfühlungsvermögen, Empathie, Einigungswillen zu.
Man verliert das Vertrauen, dass 'der andere', dass 'die anderen', trotz aller eigenen Interessen, einen auch noch im Blick haben könnten, dass auch die schwache, einsame, anderslautende Stimme etwas zählen könnte.
„Kämpfen“ statt „sich einigen“,
„ängstlich kontrollieren“ statt „zutrauen und machen lassen“,
„misstrauen“ statt „vertrauen“
wird die Lebenshaltung.
Eine Teufelsspirale, die das Zusammenleben immer kleinmütiger und zerbrechlicher werden lässt.
Zudem die Verunsicherung durch die digitalen Medien: Viele andere sind anonymer geworden.
Jugendlichen und uns allen wird empfohlen:
‚Glaube nicht alles, was Du online siehst und informiere dich aus verschieden Quellen‘.
‚Vertraue nicht jedem, mit dem du online Kontakt hast‘.
Welches Bild, welche Stimme ist noch echt und wahr? Was hat ein Computer produziert?
Stress.
Vor ein paar Jahren wären es noch „nette“, „brave“ „herzige“ Worte gewesen, die man in der Kirche rauf und runter hört. Heute sind es gewichtige, fordernde, dringend gebotene Gegenworte - herzlich erwünscht und erbeten: „Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“
Braucht‘s dazu eine Ermahnung, eine Ermahnung in Christus? Reißt und rauft euch um des „lieben Friedens“ willen zusammen.
Braucht‘s dazu Trost, den Trost der Liebe, das Gefühl: ja, du und du und auch du, den ich nicht so mag, bist ein Geschöpf Gottes? Jeder will lieben und geliebt werden.
Braucht‘s dazu eine besondere Eingebung, die Gemeinschaft des Geistes, einen Gemeinsinn, der einen für den anderen verantwortlich macht?
Dienen Religionen heute zunehmend dem individuellen Seelenfrieden, so ganz für sich allein?
Wir oft sieht man klischeehaft eine Person im Schneidersitz, die Augen geschlossen, an einem See oder auf einer Wiese zur Ruhe gekommen, dem Alltag entschwunden, auf der Suche nach innerem Frieden – oft ein Werbebildchen.
Ja, das braucht es auch: Die Besinnung auf das Wesentliche, auf das, was der Seele Frieden, Kraft und Mut gibt. Ja, das braucht es auch: Stille, um Gottes Wort hören zu können, um wahrzunehmen, was einem fast unmerklich Gutes geschieht. Ausschalten. Abschalten. „Danke“ summen. Ja, das braucht es.
Der Mensch ist aber auch angewiesen auf ein wohlwollendes ‚Umfeld‘, auf Gemeinsinn und muss sich darauf verlassen dürfen:
Ihr werdet finden, wenn ihr sucht.
Euch wird aufgetan, wenn ihr anklopft.
Euch wird gegeben, wenn ihr bittet.
Der Beitrag der Kirche in diesen Krisen-Zeiten.
Diese uralten Worte, Widerworte und Besinnungsworte, zur Sprache bringen:
Streitet - ja - miteinander, und verständigt euch untereinander, hört aufeinander, achtet und dient einander – und wir werden in Frieden, glücklich und fröhlich leben und mehr als genug haben.