Heilig Abend - Ich glaube an den Frieden auf Erden
Im Römischen Reich galt der 25. Dezember als Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes, des sol invictus, dem Schutzgott von Kaisern und Soldaten.
Ein christlicher spätantiker Autor schrieb wohl: „Die Heiden pflegen nämlich am 25. Dezember das Fest des Geburtstages der Sonne zu feiern und zu ihren Ehren Lichter zu entzünden. Zu diesen Riten luden sie oft auch Christen ein. Da nun die Lehrer der Kirche sahen, dass sich viele Christen zur Teilnahme an diesen Festen verleiten ließen, beschlossen sie, fortan am selben Tag das Fest der wahren Geburt zu begehen.“
Als dann das Christentum Staatsreligion wurde, brauchte es am 25. Dezember auch eine christliche Ausrichtung des Geburtstagsfestes eines Gottes. Das Datum ist also eine Art Glaubensbekenntnis.
War nun Jesus Christus die Sonne der Gerechtigkeit, der neue Schutzgott von Kaiser und Soldaten, mit dem sie in die Kriege zogen?
Aber Jesus wollte doch eine andere Art von Konfliktlösung:
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist, du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Eines Tages kam einer zur Welt und lebte unter den Menschen und er trug die Liebe Gottes in sich und zu den Menschen. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit“.
Predigt
Am Ende der letzten Reli-Stunde in der Grundschule kam ein kleines Mädchen auf mich zu und sagte: Herr Stauffert. Gott gibt es nicht. Meine Mutter sagt zu mir: Jesus und Gott gibt es nicht.
Woher weiß das deine Mutter?
Sie weiß alles. Ich glaube ihr.
Deine Mama hat zu 50 Prozent recht: Gott beweisen kann man nicht. Aber dass es Gott nicht gibt, kann man auch nicht beweisen. Glaubst Du, dass es Liebe gibt?
Nein, die gibt es nicht.
Glaubst du, dass es Hass gibt?
Ja, den gibt es.
Kannst du ihn sehen?
Nein aber ich sehe, wenn sich Menschen hassen und sich gegenseitig weh tun.
Ist es nicht auch so mit Gott? Menschen beten, gehen in die Kirche und zu Gottesdiensten, das tun sie schon immer. Ist das nicht auch ein Zeichen dafür, dass es Gott gibt?
Gott gibt es nicht. Schreiben Sie es sich hinter die Ohren. Meine Mutter sagt: Gott gibt es nicht.
Als ich hinauf zu den Sternen sah, wo war da Gott?
Als ich in der Nacht die Sterne mit dir zählte,
wo war da Gott?
Als ich allein war und du mich verließest und ich das Leben selbst zu hassen begann,
wo war da Gott?
Als des Todes düstere Schwingen mich sacht berührten,
als meines Bruders Tod vor der Zeit gekommen,
wo war da Gott?
… und als ich langsam starb, Tag für Tag ein bisschen mehr,
mein Blut im Sand verrann,
wo war da Gott?
Wo wohnt Gott, sag mir, damit ich ihn besuchen kommen und ihn fragen kann,
wo er denn war?
…als ich ihn brauchte…
Nach dem Gespräch mit der Schülerin dachte ich bei mir: Welch ein Vertrauen hat das Mädchen in seine Mutter. Wem wird das Mädchen später einmal so felsenfest vertrauen? Und wem so mutig und standhaft widersprechen?
Möge sie ihren Mut bewahren und ihr Vertrauen.
Wir feiern die Geburt Jesu, der ebenso mutig widersprochen hat und der als reifer Mann im Alter von 30 Jahren seine Berufung gefunden hat:
„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“. (Lukasevangelium 4,18-19)
Ich habe in mir nur Fragen und Zweifel –
Erzählt mir von der Hoffnung, damit ich glauben kann
Der Messias, der Sohn Gottes, der Mann aus Nazaret, trug wohl auch ein tiefes, mutiges Vertrauen in sich, dass Gott da ist, der barmherzige Gott da ist - nicht zu sehen - aber da, für die, die sich verloren hatten.
"Es nahten sich ihm allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen". (Lukasevangelium 15 , 1-7)
Verloren.
Manchmal komme ich mir so vor
– verloren, einsam und allein,
verloren in meiner Selbstgerechtigkeit,
wo ich meine, stark sein zu müssen.
Gefangen, in meinen Gedanken und Handlungen, fernab von einem Ort,
wo ich Geborgenheit erlebe.
Doch tief in mir ist der Schrei: Ich will raus, will wieder frei sein!
Aufbruch, zögerndes Loslassen, zweifelnder Blick nach vorne.
Ausgebreitete Arme rücken in meinen Blick, kommen näher.
Seine Hände auf meinen Schultern. Er ganz nah.
Darf mich fallen lassen, Schwäche zugeben, Liebe empfangen und einfach sein.
Altes wird unbedeutend, ich bin daheim.
Zu Gott kommen, in seine Arme genommen werden,
ein fester Druck voller Wärme und Liebe.
In seiner Nähe sein, durchflutet von dem Wissen,
ich darf sein, ich darf mich fallen lassen, Geborgenheit spüren.
Was kommen wird, hat keine Macht. Er hat sie gebrochen.
Meine Unruhe in seiner Ruhe.
Meine Angst in seiner Stärke.
Seine Liebe gilt mir.
Wir schauen in die Welt. Und schon immer gab es Großmächte, die groß wurden durch blutige Gewalt und Eroberungen fremder Länder und durch die Versklavung derer Völker. Und immer wieder nannten sich die allzu mächtigen Könige und Kaiser von Gottes Gnaden und zogen gegen die Nachbarn zu Felde und ließen ihre Soldaten die anderen abschlachten. Hierzulande stehen noch die Mauern der Vernichtungslager, gebaut gegen Millionen Andersgläubige und Andersdenkende, betrieben von ansonsten netten Familienvätern. Andere eifern nach einem Gottesstaat, einem Staat mit Predigern an der Spitze und treiben es genau so schlimm wie die ‚Gottlosen‘. Wie gut sind die, die sich nicht auf der Achse der Bösen sehen? Von deutschem Boden steuern sie per Joystick die Bombendrohnen, die aus heiterem Himmel hinrichten, Schuldige und Unschuldige. In der Tagesschau sieht man durch deren Fadenkreuz und kurz darauf die Detonation – kein Schreien, kein Flehen, keine Hilferufe. War wohl kein qualvoller Tod – hoffentlich. Wie viele schon? Wieviel noch? Sie gehen weg und fliehen nun zu uns.
Wenn die Weihnachtstage und Weihnachtsferien zu Ende sind, die Politiker und Journalisten wieder aus dem Kurzurlaub zurück sind, geht’s erst richtig los. Viele setzen auf militärische Lösungen im Nahen und Mittleren Osten. Die Herrscher tun sich nicht als Wohltäter ihres Volkes hervor. Wie sehr hat der Westen, wenn es ihm opportun erschien, Terroristen ausgebildet und unterstützt oder die ihm wohlgesonnen Herrscher an der Macht gehalten, Menschenrechte und Demokratie hin oder her, Hauptsache das Öl läuft günstig und zuverlässig in unserer Tanks. So hängt alles mit allem zusammen. Und so häuft sich Sünde auf Sünde. Niemand kann sagen: Ich wasche meine Hände in Unschuld.
Gott, wo ist, wo war denn dein Reich und deine Macht?
Als Jesus aber von den Pharisäern gefragt wurde: "Wann kommt das Reich Gottes?", antwortete er ihnen und sprach: "Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch." (Lukasevangelium 17, 20-21)
Du Gott, des Lebens,
in der Höhe und in der Tiefe –
in den Höhen des Lebens und in den Tiefen des Lebens -,
ich segne dich.
Ich bin froh, dass ich glauben kann,
dass du eine Realität bist, die letzte Realität,
die allumfassende Realität,
vor der alles andere, was ist, relativ ist.
Alles, was lebet und lebendig ist,
hältst du zusammen, wie der Zwirn zusammenhält,
was zerrissen ist, was einmal ganz war.
Wo die Menschen am Arsch sind,
wo sie einander in die Scheiße drücken,
da wendest du dich nicht ab, sondern gehst hinein.
Gesegnet seist du, ewiger, lebendiger Gott.
Mutig wie ein Vater, fürsorglich wie ein Mutter, frech wie ein Kind,
durchwirkst du deine Welt, dass wir endlich sehen,
wo wir am Arsch sind, wo wir uns in die Scheiße manövriert haben,
wo wir uns das Leben zur Hölle machen
und dass wir die Möglichkeiten sehen, es anders zu machen,
Räume des Lebens einzurichten, des Lebens, das heilig ist,
mit dem du dich verbindest.
So soll es sein. Himmel- Arsch und Zwirn. Amen
Heute ein Interview in der Zeitung mit Abeer Pamuk. Die 23jährige stammt aus dem kaputtgebombten Aleppo und betreut in Syrien SOS-Kinderdörfer:
Haben sie gar keinen Hass auf die, die Krieg in das Land bringen? Nein, das hatte ich nie. Schauen Sie: Ich bin eine Helferin, ich liebe es für die Kinderdörfer zu arbeiten. Ich will niemanden hassen. Es gibt mir viel mehr, Liebe zu stiften.
Um Sie herum werden sicher nicht alle so reagieren?
Krieg verändert die Persönlichkeit, ja. Manche werden aggressiv, in manchen wächst der Hass, andere wollen helfen. Die Humanität gegenüber den Opfern ist die beste Reaktion, denke ich.
Ändert sich das Leben im Krieg zu Weihnachten?
Oh ja. Jeder feiert Weihnachten, egal auf welcher Seite des Krieges er steht. Früher war es eine festliche Zeit. Wenn Sie alte Fotos im Internet ansehen, werden Sie staunen, wie Aleppo aussah, all die Lampen, der Schmuck. Nun ist alles dunkel. Das schmerzt sehr. Es gibt noch ein paar Ecken, an denen die Menschen dekorieren, sei versuchen zu feiern. Alles, was sie glücklich macht, ist mit der Vergangenheit verbunden, als es schön und friedlich war. Die Leute sagen: So können wir den Krieg vergessen, auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Weihnachten ist die Chance, den Kopf aus dem Wasser zu strecken und für eine Sekunde durchzuatmen. Weihnachten ist gut für Syrien.
Der 24. Dezember ist nicht nur Heilig Abend, es ist auch Ihr Geburtstag. Was werden Sie tun?
Wenn ich es einrichten kann, werde ich nach Aleppo fahren, zu meiner Mutter und meinem Bruder. Ich möchte die Freunde treffen, die noch übrig sind. Ich werde mich schick anziehen, auch wenn ich zum Bügeln einen Teekessel brauche. Und dann werden wir uns gemeinsam wünschen, dass nächstes Weihnachten anders sein wird.
Ja, meine liebe Schülerin, im letzten Moment hat dich der Himmel geschickt und du hast mich ganz schön gefordert. Gut so. Irgendwann, wenn du dann größer und älter sein wirst und du deine Erfahrungen gemacht hast, was wirst du dann glauben? Wem wirst du dann deinen Glauben schenken? Keiner glaubt wie der andere. Aber so ganz allein zu glauben ist auch schwer. Manchmal muss man eben zusammenkommen, um sich mit anderen eines guten Glaubens zu vergewissern, der hofft, statt resigniert:
ich glaube an gott, der liebe ist
den schöpfer des himmels und der erde
ich glaube an jesus
sein menschgewordenes wort
den messias der bedrängten und unterdrückten
der das reich gottes verkündigt hat
und gekreuzigt wurde deswegen
ausgeliefert wie wir der vernichtung des todes
aber am dritten tag auferstanden
um weiterzuwirken für unsere befreiung
bis dass gott alles in allem sein wird
ich glaube an den heiligen geist
der uns zu mitstreitern des auferstandenen macht
zu brüdern und schwestern derer
die für gerechtigkeit kämpfen und beten
ich glaube an die gemeinschaft der weltweiten kirche
an die vergebung der sünden
an den frieden auf erden
für den zu arbeiten sinn hat
und an eine erfüllung unseres lebens
über unser leben hinaus.
So ist es. So soll es sein. Amen