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Geteiltes Leid ist halbes Leid


Geteiltes Leid ist halbes Leid -
! Ausrufezeichen. Der Gedanke stimmt und tröstet.
? Fragezeichen. Das ist nur so dahin gesagt zur Vertröstung.

Meine These als Seelsorger: Der Mensch kann vieles, fast alles ertragen, wenn er von einem Menschen vertrauensvoll durch schwere Stunden begleitet wird.

„Weint mit den Weinenden, freut euch mit den Fröhlichen, seid eines Sinnes untereinander“ gibt Paulus an die Gemeinde in Rom weiter. Und er sagt auch: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz der Liebe Christi erfüllen“.

Geteiltes Leid ist halbes Leid - Ich möchte hinein und hinhören, was Betroffene meinen.
Geteiltes Leid ist halbes Leid!?
„Das Leid teilen? Nein, wie soll das zugehen, wie soll dieser Schmerz überhaupt zu teilen sein? Ein Teil von uns bleibt doch immer bei unserm Kind, beim Bruder, bei der Schwester“, sagt eine Mutter. Und weiter: „Sind unsere Empfindungen teilbar und wenn ja, mit wem können wir sie teilen? Wohlbedacht können wir unsere Gefühle nur Menschen gegenüber öffnen, denen wir vertrauen, an Orten, wo wir uns sicher fühlen. ... Ja wir sind vorsichtig geworden, auch bei Mitteilen unserer Gefühle, denn die Offenbarung des Schmerzes gibt unser Inneres preis, macht uns angreifbar, verletzlich. Deshalb sind wir instinktiv vorsichtig geworden. Das geteilte Leid in uns selbst, den Teil voll von Erinnerungen, das Festhalten am Wunderbaren und den Teil des anderen Lebens ohne das geliebt Kind, den Bruder und die Schwester, wollen wir nicht verlieren oder von anderen verletzen lassen.
Die Erfahrung des Verlustes mit andern Menschen zu teilen, oft mit neuen Menschen, die neue Freunde wurden, entlastet uns.
Die Teilung, die Trennung von den Wegbegleitern, die nicht mehr unseren Weg mit uns gehen, weil deren Weg nicht mehr der unsere ist, schmerzt aufs Neue“.

Leid ist ein körperlicher und seelischer Schmerz, Kummer, Sorge, Qual, macht dich trübsinnig. Was als Leid empfunden wird, hängt von euren je eigenen Erfahrungen und Einstellungen ab. Euch ist ein Ereignis gemeinsam, doch jede und jede hat seine ganz eigenen Gefühle und Gedanken.

Was ist Leid? Eine drückt es so aus: „Leid macht den Leidenden zu einem sprachlosen, aktionslosen und wirkungslosen Geschöpf. Leidende strahlen nicht, sie sind nicht souverän, sie fallen vielmehr zusammen, wie ein leeres, gelöschtes Buch, sie verschwinden wie ein abgehängtes Bild“.

Was hilft, um wieder ein wenig Kraft zu bekommen für das Leben, die Familie, den Beruf, die Hoffnung auf bessere Momente?

- „Es“ nicht wahr haben wollen – das mag vielleicht gehen für Momente; je länger der Verlust zurückliegt, um so eher.
- Das einzuüben, was einem schon früher gut tat; dort hinzugehen, wo es gut ist zu sein.

 

Erinnert ihr euch? Vor einem Jahr sagte ich: „Ihr alle tut immer auch etwas, wovon ihr sagt: 'Das hilft mir. Das tut mir gut. Das macht es erträglicher.' Das ist Überlebenskunst. Die Seele nährt sich von dem, woran sie sich freut. Ihr habt Schlimmes erfahren und ihr seid zu Überlebenskünstlern geworden.
Ihr könnt auch von einander lernen und euch gegenseitig darin bestärken, auf das zu achten, was euch gut tut, was der Seele Nahrung gibt, um mit dem Schlimmen künftig besser fertig zu werden“.

Ebenso wichtig und richtig ist wohl, das Leid anzunehmen. Eine Mutter fragt: „Müssen wir als nur begrenzt lebende Menschen verstehen, dass Leiden manche Menschen mehr trifft als andere und dass Leiden einer Mutter, die Ihr Kind gehen lassen musste, in einer seiner schlimmsten Formen begegnet? ... Wirklich helfen kann, so meine ich, nur der, der in der Tat mitleidet, der also auch durch den Tod eines Kindes etwas verloren hat, oder der in inniger Verbindung zu einem betroffenen Menschen stand und der daher in der Seele fühlt, was Leid ist..... Durch dieses Zusammensein mit Betroffenen wird das Leid zwar nicht geteilt, sondern es wird vielmehr mitgeteilt, miterlebt, mitempfunden – aber auch das hilft... ich danke allen, die bei mir waren, als mein Sohn tot im Bett lag: Dem Zimmernachbarn, der Freundin, dem Geschwisterkind, der Bekannten, die 800 Kilometer anreiste, der Cousine, die den nächsten Flieger zu mir nahm. Sie alle fragten nicht, kann ich das Leid mit dir teilen, sie handelten und waren einfach da, fühlten mit, machten das ganze Leid auch zu ihrem Leid und dadurch war es möglich, zeitweise das Leid als geteiltes Leid zu empfinden.“

Wie schwer können es Eheleute und Familien haben, das Leid miteinander zu teilen und belasten sich gegenseitig mit der je eigenen Art zu trauern. Eine Ehefrau bekennt: „Auch ich mußte feststellen, wenn eine Ehe noch so gut ist, in so einer Ausnahmesituation steht jeder für sich allein da, ebenso die anderen Kinder bzw. Geschwister. Man wird plötzlich stumm und kann miteinander nicht mehr reden. Jeder muss das Leid auf seine Weise 'ausleiden'. Es kommen oft Aggressionen an den Tag, die man nicht für möglich gehalten hätte. Es nervt einen, wenn der Partner schweigt und es stört einen, wenn er es gut meint und reden will, zu einer Zeit, wo man selber nicht dazu bereit ist. Man erträgt das Lachen der anderen Kinder nicht mehr und versteht nicht, wie sie ohne ihren Bruder noch fröhlich sein können. ... Wir haben gelernt, das man das Leid mit niemanden teilen kann, sondern jeder auf seine Weise lernen muss, aus diesem einen Ausweg für das eigene Weiterleben zu finden.“

Geteiltes Leid? Willst du das Leid abgeben?

Bedenke, wem du ein Teil der Last abgeben und aufladen willst und kannst. Wer ist stark genug?
Ein Mutter meint: „Genau besehen, möchte ich auch niemandem einen Teil vom Leid der Trauer weggeben. Wenn es nur nicht so schmerzen würde. ... Die Trauer verbindet ja mit dem geliebten Kind“.

Erfahrt ihr im Leiden nicht nur den Schmerz, sondern auch etwas vom Leben, das anderen verschlossen und unbekannt ist? Eine Tiefe in der Fähigkeit des Mitfühlens und könnt so anderen eines Tages zur Hilfe, zur Stütze, zur Hoffnung werden.

Geteiltes Leid ist halbes Leid – im Gebet.

Wenn die Seele wütend ruft und klagt wie im einem Psalm: „Mein Gott, mein Gott,warum hast du mich verlassen. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch du antwortest nicht und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe: denn es ist hier kein Helfer. Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!“

Welche Kraft und Wirkung vermag in anderen Psalmworten liegen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir“.

Der Mensch kann vieles, fast alles ertragen, wenn er von einem anderen vertrauensvoll durch schwere Stunden begleitet wird und im Leid, im Schmerz, in der Einsamkeit ausgehalten und gehalten wird.

Weint mit den Weinenden, freut euch mit den Fröhlichen, seid eines Sinnes untereinander gibt. Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz der Liebe erfüllen“.

Amen

 

(Pfr. Jürgen Stauffert, im Dezember 2011)