In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Der Handwerker entscheidet selbst - oder bald Robi digital?

Begrüßung

Gnade sei mit euch und Friede.
Herzlich willkommen zu diesem Gottesdienst hier in der Lackierhalle im Gewerbegebiet in Erlenbach.

Der Handwerker entscheidet selbst oder bald Robi digital?
Wir befinden uns wohl in einer digitalen Revolution. Mit den technologischen Neuerungen machen sich bei nicht wenigen apokalyptische Ängste breit: Werden Roboter und die sogenannte künstliche Intelligenz irgendwann einmal Menschen beherrschen, fernsteuern, ersetzen? Prognosen prophezeien ja immer wieder, welche Berufe, welche Tätigkeiten durch die Digitalisierung überflüssig werden.  Werden Handwerker nicht so leicht zu ersetzen sein, weil ihre Werke und Dienste sich nicht so einfach automatisieren lassen?

Andere wiederum erhoffen sich von der Digitalisierung euphorisch, dass mit der neuen Technologie die großen Menschheitsprobleme in den Griff zu bekommen sind und alles, zumindest vieles, besser wird. Werden Menschen befreit von stupider und lästiger Arbeit, und fast automatisch klüger, stärker, gesünder, langlebiger, optimierter, optimaler? 

Oder gibt’s einen Weg zwischen Angst und Euphorie?  Es sind einfach ‚nur‘ neue Werkzeuge, die WIR so beherrschen müssen, dass sie möglichst zum Nutzen vieler werden. Wer hat nicht Smarthone und reichlich Apps? Wer sucht nicht mit Hilfe von Suchmaschinen nach allerlei und allerhand?

Wir sind mittendrin in der Digitalisierung und sollten uns Gedanken machen - weder düster, ängstlich und verzagt, noch euphorisch, sorglos und berauscht, sondern kritisch, vernünftig und zuversichtlich.

„Gott hat uns nicht gegen einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Tim 1,7) 

 

Predigt

Der Handwerker entscheidest selbst – oder bald Robi digital?
Handwerker produzieren ihre Werkstücke nicht in Serie tausendfach am Band.
Handwerker müssen bei jedem Auftrag ihre Phantasie und Erfahrung nutzen, mit Kunden zusammen herausfinden, tüfteln und überlegen: Wie machen wir’s am besten? In welcher Farbe sollen die Räume gestrichen werden? Welche Heizung kann bei dir montiert werden? Wie soll das Haus gebaut werden? Wie kriegen wir die Delle wieder aus dem Blech und bauen den Bootsanhänger so um, dass bei der Fahrt nichts wackelt oder bricht?
Warum läuft dieser Motor nicht rund und was muss hier repariert und ausgetauscht werden?

Klar, man kann mit dem Computer die Fehler im Auto herauslesen.
Man kann mit einer VR-Brille angeleitet die fehlerhafte Maschine instand setzen oder lädt sich den Film mit der Reparaturanleitung auf das Tablet. 
Im Internet lassen sich die Farbmischungen aller Fahrzeuge finden und werden dann vor Ort automatisch vor der Maschine gemischt.
Dachdecker nehmen zwar Maß, Computer errechnen aber die Schnitte und Einkerbungen in den Balken und sägen sie vollautomatisch zu.
Ersatzteile kann man sich auf der Homepage des Zulieferers dreidimensional ansehen und mit einem Klick bestellen.
Über die digitalen, sozialen Netzwerke kann der Handwerker Kunden auf sich aufmerksam machen.
Am Bildschirm bewegt man sich virtuell durch die Räume und kann sich ein Bild machen, wie es mal aussehen könnte, das Haus, der Raum, das Licht- und Schattenspiel.
Per Whatsapp bekommt der Mitarbeiter draußen vor Ort vom Chef den Arbeitsauftrag mitgeteilt und macht Bilder von der Baustelle. 
Handbücher, Skizzen, Kataloge, Prospekte – immer seltener in Gebrauch.

Wir haben uns schon eingerichtet in der neuen digitalen Welt, mehr oder weniger, und jeder Handwerker muss für sich und seinen Betrieb entscheiden: Was will ich? Was brauche ich? Lohnt sich die Investition?
Aber wohl schon immer gilt der Spruch: Man muss mit der Zeit gehen.

Ob’s mit der Digitalisierung besser wird? Ob der Raum schön gestrichen, das Haus solide gebaut, die Fenster passend eingesetzt, die Motorhaube einwandfrei lackiert sein wird, hängt immer noch von der sorgfältigen, kundigen Handwerkskunst ab, gefertigt mit allen möglichen Hilfsmitteln und Werkzeugen, seien sie nun analog oder digital.
Wie viel ist der direkte menschliche Kontakt, von Angesicht zu Angesicht, wert? Vielleicht wird der gerade in Zeiten der Automatisierung umso wertvoller, weil umso seltener?

Der Handwerker entschiedet selbst oder bald Robi digital? Wer künftig nicht nur am Computer hinter dem Bildschirm auf der Tastatur herumhacken will, wer künftig mit allen seinen Sinnen arbeiten und schaffen will, der sollte wohl Handwerker werden. Man könnte doch bei den Jugendlichen damit werben:
Willst du hämmern, bohren, sägen,
sehen, hören, spüren, tasten
nicht nur hauen auf die Tasten
von Computer, Handy, Tablet,
dann komm ins Handwerk, sei dabei,
wir brauchen Leute mit Verstand UND Feingefühl
für die Werke für die Menschen.
Aber werden Kinder noch ausreichend geschult im Werkeln, Basteln, Bauen, Tüfteln abseits von Spielkonsolen?

Der Handwerker entscheidet selbst – oder bald Robi digital?
Noch gibt es keinen Roboter, der in den Keller gehen kann und einen Wasserzähler austauscht.
Noch gibt es keinen Roboter, der auf ein Gerüst steigen und Wände anständig verputzen kann und mit dem Kollegen nebenan Witzchen macht und sich manchen Frust von der Seele redet.
Noch gibt es keinen Roboter, der Elektroleitungen durch Schächte und Decken ziehen und in Schaltkästen richtig verdrahten und verschrauben kann und anschließend auch noch den Schutt und Staub zusammenfegt.
Noch gibt es keinen Roboter, der Bäume und Büsche artgerecht schneidet oder pflanzt und angemessen wässert.
Noch gibt es keine Roboter, die die Lackierhalle hier so liebevoll und phantasiereich ausgestalten können.

Alles irgendwann einmal doch durch Roboter machen lassen? Das wird wohl auf lange Zeit hinaus, zumindest im Handwerk, eine Zukunftsphantasie bleiben, oder?

Uns wird mit der künstlichen Intelligenz, dem maschinellen Lernen mit millionenfachen Daten und Rechenoperationen gezeigt, was die Rechner alles können - wirklich beeindruckend! Worte ins Smartphone diktiert und gleich in eine fremde Sprache übersetzt oder unmittelbar in Schrift übertragen; Röntgenbilder werden treffsicherer analysiert als von Ärzten;
Mit Gesichtserkennung weiß man, wer sich im Stadion oder auf einer Demonstration aufhält; Vorlieben und Absichten von Menschen können Algorithmen einschätzen und vorausahnen, auch welche Krankheiten sich demnächst ausbreiten werden, wo ein Stau zu erwarten ist oder sich schon gebildet hat;
Mit einer App lassen sich unterwegs Pflanzen und Insekten bestimmen.

Wir leben mit einer enormen Informationsdichte in Sekundenschnelle. Was Kinder heute schon wissen, die sich auch mit Filmen im Internet informieren – enorm. 

Letztendlich aber werden wir Entscheidungen nicht delegieren können, jede und jeder Einzelne muss überlegen, was er tut, wozu er sich entscheidet - mit all den Hilfsmitteln und Werkzeugen, die einem zur Verfügung stehen, aber auch mit seinen Erfahrungen und seinem Geschick, mit seinem Können und seiner Kraft, mit seiner Weisheit und Moral.

Trotz Digitalisierung leben wir vom Vertrauen, dass der andere, in dessen Hände ich mich begebe, verantwortungsvoll mit mir und meinem Anliegen umgeht, dass ich mich auf Zusagen verlassen kann, dass einer sein Wort hält – im unmittelbaren persönlichen Kontakt oder am Telefon oder im Internet. Letztendlich zählt, was am Ende dabei herauskommt, ob ich zufrieden und erfolgreich bin, mit der Leistung, die ich erbringen konnte und ob ich zufrieden bin mit dem Produkt, das ich erhalten habe.

Gott hat uns nicht gegeben ein Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Wir leben in einer neuen Zeit. Wir haben uns an manches noch wie selbstverständlich gewöhnt: Handy, Computer, Navi, Google.
Manches verstehen wir nicht: Was ist eigentlich künstliche Intelligenz genau, nach welchen Algorithmen und Programmen werden Daten verarbeitet und wofür werden sie benutzt?
Was machen Unternehmen und Staaten mit all den Informationen von Kunden und Bürgern?
Mehr Transparenz ist nötig, dem Misstrauen zu begegnen, um Vertrauen zu schaffen.

Wir wissen noch nicht, wie wir kulturell mit der noch jungen Digitalisierung umgehen sollen. Handwerkskammern und auch Kirchen, Industrieverbände, Universitäten und Juristentage rufen zu Kongressen zusammen, um darüber zu beraten.
Wir werden Fehler machen und auf Abwege geraten - durch Schaden wird man klug. So wächst Weisheit. So entstehen Gesetze, um den Missbrauch und die Gefahren einzudämmen.
Wir können bei der Digitalisierung leider nicht auf Erfahrungen der Generationen vor uns zurückgreifen oder in den alten heiligen Schriften direkte Antworten finden.
Deshalb: Wir müssen reden, wir müssen miteinander reden.
Wir müssen uns Gedanken machen, wir müssen uns miteinander Gedanken machen, was wir wollen, was wir nicht wollen.    
Wir müssen entscheiden, miteinander entscheiden.
Wir müssen miteinander eine Moral der Digitalisierung finden; jeder für sich, jeder bei seiner Arbeit, jeder in seinem Betrieb, in den Verbänden und miteinander in der Politik.
Du hast einen Spielraum. Du hast eine Verantwortung für Dich und andere.   

Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
(Pfr. Jürgen Stauffert)