In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Corona und die Folgen - religiös betrachtet III. Bin ich mit einer Tätigkeit systemrelevant?

Bin ich mit meiner Tätigkeitkeit systemrelevant? Hier die Predigt zum Nachhören.

Corona III (Das Video ist bei youtube hinterlegt.)

Wird man mich künftig noch brauchen? Oder muss ich mich umorientieren und mir was Neues suchen?

Der Flugzeug-Hersteller Airbus wird Stellen abbauen und auch die Lufthansa. Man wird weniger mit dem Flieger fliegen. Mitarbeiter bangen, müssen das Unternehmen verlassen, sich eine neue Arbeit suchen. Auch die Beschäftigten der Zulieferbetriebe.
Auch nicht mehr so viele Autos wurden produziert und verkauft, und ob die ärmer gewordenen Leute sich eine neue Karre leisten können und wollen? Zudem wird der Ruf nach einer Verkehrswende immer lauter, und die politische Vorgabe: Weg mit Verbrennungsmotoren.
Atom- und Kohlekraftwerke werden nach und nach abgeschaltet, weil bedrohlich und gefährlich für Mensch und Umwelt und Klima. Die bedrohten Großfirmen rufen nach staatlichen Hilfen und Steuergeldern, um durchhalten zu können und um den Strukturwandel zu schaffen – verträglich für Bilanzen, Geldgeber und Beschäftigte.
Was macht das mit Mitarbeitern, wenn sie sich nicht mehr an dem wirken, was gebraucht und gewollt wird und ihre Arbeitsplätze abgebaut werden?

Die Tourismusbranche, die Tourismusindustrie, leidet, weil erzwungenermaßen viel weniger Buchungen und Belegungen eingehen. Manche fiebern schon wieder einer weiten Reise entgegen, aber andere fragen: Brauche ich das jetzt wirklich zur Erholung oder geht’s nicht einfacher und naturverträglicher?
Jetzt großes Erschrecken, wie Tiere zu billigem Fleisch zerhackt werden. Braucht man das? Will man das? Seit Jahren schon der Ruf: Weniger Fleisch, bitte.

Bin ich als Pfarrer, ist die Kirche systemrelevant?
Auch ich habe mich gefragt und bin immer noch auf der Suche: Was ist meine Aufgaben in den Umbruchzeiten, in die wir wohl oder übel gehen? Was ist mein sinnvoller Beitrag, die schwierige Zeit jetzt durchzustehen? Soll ich harren und hoffen, bis alles wieder möglichst bald so ist wie vor Corona?

Aber Fahrradhändler und Computer-Kundige müssen sich diese Fragen nicht stellen. Ihre Dienste und Produkte sind gefragt. Aber die Vielen anderen?
Die Corona-Krise macht viele Probleme offensichtlicher und deutlicher und zwingt uns die Frage auf: Was ist wirklich wichtig im Leben? Was brauche ich? Was braucht die Gesellschaft in Deutschland, in Europa, in der Welt? Was soll bleiben, was soll wieder so werden wie früher? Was muss anders werden und kann weg? Es geht dabei um Existenzen, Lebensentwürfe und Selbstwertgefühle.

‚Alles ist eitel und ein Haschen nach Wind‘, so sagt es in der Bibel der sogenannte Prediger Salomo, auch Kohelet genannt. Er durchstreift die Welt und schaut sich alles Schaffen und Streben nach Wohlstand und Wissen und Weisheit an und kommt wiederholt zu dem Urteil: Alles ist eitel, heiße Luft. Nichts hat wirklich Bestand. Alles hat seine Zeit. Man macht und tut, aber letztendlich ist doch alles vergeblich und was so erstrebenswert gilt, bringt Ärger. Er erkennt: Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt und wer Reichtümer liebt, wird keinen Nutzen davon haben. Wie einer nackt von seiner Mutter Leib gekommen ist, so fährt er wieder dahin.“

Recht und Gerechtigkeit? Kohelet muss feststellen: Wer recht tut, dem geht es nicht automatisch gut und wer sich gottlos verhält, dem geht es nicht unbedingt schlecht? Gerechtigkeit in der Welt? Fehlanzeige!
Schlimmer noch: ‚Ich sah alles Unrecht an, das unter der Sonnte geschieht, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten. Und die ihnen Gewalt antaten, waren zu mächtig, dass sie keinen Tröster hatten‘.

Systemrelevante Berufe: VerkäuferInnen, PflegerInnen, ErzieherInnen, Paketfahrer – schlecht bezahlt – weil sie Ihre Interessen nicht lautstark einfordern und durchsetzen. Blechbieger und Motorenschrauber verdienten ungeschafft in Kurzarbeit viel mehr und klagten dennoch.
Alles ist eitel und viel heiße Luft.
Blender, Schwätzer, Wichtigtuer in der Welt halten sich für wichtig: Große Klappe, nichts dahinter. Manche poltern und trampeln immer noch, andere sind ruhiger geworden, weil man sie nicht mehr hören und ertragen kann.  
Viel Bohau um Nichts ist gerade nicht so recht angesagt.  
Fußball – ein Millionen- und Milliardespiel, ein Riesenmarkt, an dem viele Arbeitsplätze hängen. Aber das Spiel selbst ist doch nur noch Kulisse mit austauschbaren, hochbezahlten Schein-Helden, die euphorisch-lustreich siegen oder enttäuscht, am Boden zerstört, verlieren, Zuschauer, berauscht-begeistert, dienen nur als Szenerie für aufregende Fernseh-Bilder, um Einschaltquote zu machen und um Werbezeiten zu verkaufen. Und dabei geht es doch nur darum, den Ball von der einen Seiten zur anderen Seite zu treiben und zwischen  zwei Pfosten zu dreschen.
Keine Frage: Spiel und Sport ist wichtig, belebt die Sinne und den Körper, der Mensch kann sich vergessen und sich leidenschaftlich einer harmlosen, sinnfreien Tätigkeit hingeben. Spielen ist Freiheit. Spielen können befreit von alltäglichen Zwängen. Supergut.
Aber ein Riesen-Geschäft daraus zu machen? Wenn sie spielen und rennen wollen, gerne. Sollen sie doch. Aber ohne Zuschauer und Kamera lohnt sich das nicht so recht. Alles ist eitel und ein Haschen nach Wind.

So mögen Leute auch über die Kirche denken: ‚Die Kirchenleute machen seit Jahrhunderten ihr Ding, sprechen unverständlich, erzählen irgendwelche Geschichten aus längst vergangenen Zeiten, hat nichts mit mir zu tun‘.
Ich würde der Kirchen-Kritik erst mal nicht widersprechen wollen, sondern zuhören, denn der andere sagt mir, ob ich und meine Tätigkeiten und meine Worte für ihn relevant sind, von Bedeutung, von Wert und Nutzen.
‚Sieh hin, hör zu und denke nach, dann wird alles, was du tust sinnvoll sein‘, eine einfache, alte Indianer-Weisheit.
Wachstum. Wachstum. Mit Wachstum aus der Krise und den Schulden!, so der antreibende Schlachtruf aus der Politik und der Wirtschaft.
Kauft und konsumiert! – Aber man hatte sich doch in den vergangenen Wochen ein wenig daran gewöhnt, mit weniger auszukommen und sich vorgenommen, künftig bescheidener zu leben. Man wird’s wohl auch müssen.
Kauft und konsumiert - egal was. Hauptsache, ihr bringt euer Geld wieder unter die Leute und hebt die Kauflaune und die Stimmung im Lande.
Verstehe ich ja, teilweise. Jeder lebt vom anderen, jeder macht die anderen satt. Leere Geschäfte, leere Konzert- und Theatersäle, leere Straßen, leer Stadien, leere Kirchen – die Gesellschaft wäre tot.
Handel und Wandel gehört zum Leben.
Aber Hauptsache Wachstum - egal wie eitel nutzlos, mit viel heißer Luft von Werbetreibenden aufgeblasen?
Krisenzeiten sind auch Besinnungszeiten. Wir kommen nur dann gut weiter und entwickeln uns weiter, arbeiten an dem, was künftig gebraucht, wenn wir uns gegenseitig in Frage stellen und Antworten verlangen: Was machst du da eigentlich? Wem nutzt es? Ist das sinnvoll und vernünftig?
Das verunsichert und führt zu zusätzlichem Stress, zu emotionaler Anspannung, weil man viel heiße Luft und Haschen nach Wind entdecken wird, bei sich, bei vielen, womöglich bei allen. Man hat’s halt gemacht, vielleicht nur des Geldes wegen.  
Sich umorientieren? Sich umgewöhnen?
Echt schwer. Nicht schön.
Manche Branchen sagen voraus, dass es Jahre brauchen wird, um wieder das Umsatz- und Erfolgs-Niveau von vor der Corona-Krise zu erreichen. Solange kann man nicht alle Mitarbeiter halten. Arbeitsplätze werden abgebaut, Mitarbeiter entlassen. Sie müssen in andere Arbeitsbereiche wechseln und umschulen, sich neu einstellen. Stewardessen als Zweit-Lehrer in Schulen, Bandarbeiter ins Handwerk, Pfarrer als Notfall-Seelsorger in die Arbeitsagenturen?
Ich glaube, es wäre entlastend, wenn wir in diesen Zeiten des Umbruchs uns auch an Umbrüche im eigenen Leben und Schaffen gewöhnen und uns auf neue, ungewisse Wege einlassen können und diese dann nicht als Niederlage, Schlappe oder Misserfolg sehen, sondern es annehmen und anerkennen und das Beste daraus zu machen versuchen. Wir werden andere Menschen kennenlernen, ungeahnte Fähigkeiten entdecken, vielleicht gar zufrieden und zufriedener werden.
Wer sich verändert, braucht nicht Mitleid und Bedenken von anderen, sondern deren Ermutigung und Aufmunterung, Anerkennung und Begleitung und auch immer wieder mal die innere Selbst-Vergewisserung im Gebet:
„Hilf mir oh Gott, das Rechte tun, schenk Weisheit, sende deinen Geist. Hilf mir sehen, was von mir gebraucht wird. Führe du mich guter Gott“
Kohelet blickt und schonungslos auf das Geschehen in der Welt, enttäuscht, fast frustriert. Er sieht Unglück bei allem, was unter der Sonne geschieht, dass es dem einen geht wie dem andern. Und dazu ‚ist das Herz der Menschen voll Bosheit, und Torheit ist in ihrem Herzen, solange sie leben; danach müssen sie sterben‘

Wie lautet seine Lebenshaltung?
‚So geh hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen. Lass deine Kleider immer weiß sein und lass deinem Haupte Salbe nicht mangeln. Genieße das Leben mit deiner Frau, die du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; Alles, was dir vor die Hände kommt zu tun mit deiner Kraft, das tu. Es gibt nichts Besseres als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut, bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes‘.