In Erlenbach:

die allerschönste Christuskirche

weit und breit

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Herr Gauck,

mir liegt viel am Frieden. Derzeit wird aufgerüstet. Der IS will die „Ungläubigen“ bekämpfen und vernichten, der Westen mit dem mächtigen Sprecher Obama an der Spitze will den IS vernichten und deren fehlgeleitete Kämpfer.

„Ungläubige“ kämpfen gegen „Ungläubige“ und „Gläubige“ gegen „Gläubige“. Der IS kämpft im Namen Allahs, der Westen kämpft im Namen der Menschenrechte und der Freiheit; unterschwellig geht es auch um die Verteidigung des Christentums.Wer später militärisch siegen wird, wird dann auch triumphieren, dass sein Wertesystem und sein Gott der stärkere ist. So machen’s die Menschen seit Jahrtausenden.

Keine Frage: die Opfer müssen vor den Schlächtern geschützt werden! Schutzzonen müssen errichtet werden (früher zogen sich die Angegriffenen in Schutzburgen zurück). Flüchtlinge müssen großzügig unterstützt werden mit Unterkünften und Nahrung, aber auch mit sinnvoller Beschäftigung, Bildung, Unterhaltung. In die Lager müssen auch Baumaterialien, Lehrer, Schulhefte, Musikinstrumente, Stoffe, Nähmaschinen, Leinwände und Pinsel kommen. Das wäre Leib- und Seelsorge für die Traumatisierten.   

Der derzeitige Krieg ist auch Ausdruck eines Kampfes der Kulturen und Religionen um Vorherrschaft in der Welt und um die Frage, wer das Sagen hat. Mit der moralisch-militärischen Aufrüstung aber wird der Westen, der sich doch irgendwie (noch) als christlich verstehen will, nicht überzeugen und in der Welt für sich werben können; denn der Westen bedenkt nicht, wie er politisch die vernünftige christliche Friedensbotschaft von dem Verzicht auf Vergeltung und von der Feindesliebe umsetzen könnte, die in der Bergpredigt angemahnt wird. Darin geht es um die Frage: Wie schafft man es, sich den Feind zum Freund zu machen? Wie schafft man es, die Aggression und Gewalt zu beruhigen?

Vom Vergelten

Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 21,24): »Auge um Auge, Zahn um Zahn.«  Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.

Von der Feindesliebe

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

In der derzeitigen öffentlichen Diskussion fragt man sich aber nicht: Wie mache ich mir den Feind zum Freund?, sondern: Wie vernichte ich den Feind? Damit erhöht man die Aggression und das Gewaltpotential über viele Jahre und Generationen hinaus und verhält sich wie die „Zöllner und Heiden“.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich auch dazu öffentlich Gedanken machen und Denkanstöße geben würden.

Viele Grüße Jürgen Stauffert

Pfarrer an der Ev. Christuskirche