In Erlenbach:

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Befiehl du deine Wege - Gedanken beim Radlergottesdienst 2015 durch das Sulmtal

Der Radler-Gottesdienst am 17. Mai 2015 führte durch das Sulmtal von Erlenbach bis hoch zu Evangelischen Tagungstätte Löwenstein. An Kirchen auf dem Weg und am Breitenauer See wurde angehalten, inne gehalten und ein Lied gesungen, in einem Tunnel auch der Kanon "Vom Aufgang der Sonne".

Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht, schon an der Dämmerung Pforte ist er mir nah und spricht. Evangelisches Gesangbuch (EG) 452.

Du stehst morgens auf, machst das Radio an, hörst Nachrichten, Musik, Werbung. Beim Frühstück der Blick in die Zeitung, Neues aus Erlenbach, Heilbronn und aller Welt. Du planst in Gedanken für dich und im Gespräch mit dem Tischgegenüber den Tag. Im Computer und auf dem Handy siehst du Anfragen und Kommentare. Und nach einer Stunde bist Du schon wieder drin im System und meinst zu wissen, was heute zu erledigen ist. Alle möglichen Leute lagen dir dann schon laut oder leise in den Ohren, wollten dir etwas erzählen, mitteilen, schreiben und du bist beschäftigt mit deren Hirngespinsten.
Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht, schon an der Dämmerung Pforte ist er mir nah und spricht.
Was ist mein gutes Wort für den Tag, das mich heute begleiten soll bei all den Begegnungen und Vorhaben? Woraufhin soll ich heute leben als Gottesgeschöpf, als Mitmensch, dem gesagt ist: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Aus einem Losungsbüchlein eine morgendliche Inspiration für den Tag holen? Noch vor dem Aufstehen ein Gebet sprechen, bei dem zuerst die eigene Seele reden darf, bevor all die anderen Stimmen laut werden? Den Konfirmanden- oder Trauspruch vergegenwärtigen? Über eine Weisheit vom Abrisskalender nachdenken? Ein Vaterunser unter der Dusche?

Gott, du bist die Kraft in allem, was geschieht. Du bist auch die Kraft in mir. Danke. Zeige mir, wofür ich da sein soll. Zeige mir, wer mich braucht. Gib mir Zutrauen zu mir selbst und Zutrauen zu deinem Auftrag. Ich will den Tag nicht einfach nur hinter mich bringen, sondern  frei, sinnvoll und zufrieden leben. Gib mir ein gutes Wort, damit der Tag gut wird.
     
Wenn das Brot das wir teilen als Rose blüht und das Wort, das wir sprechen als Lied erklingt, wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt und die Not, wie wir lindern, zur Freude wird, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt. Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht in der Liebe, die alles umfängt . ….

„Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen, darum suche ich dein Antlitz“ haben wir im Psalm 27 gesprochen.
,Wie finden wir Gott in dieser Welt?´ ist ein große Frage, die die Religionen und Gläubigen beschäftigt: In einem heiligen Ritual, in einem heiligen Buch, in der Gestalt eines Heiligen? In der Natur? Manchmal kommt es vor, dass die einen ihre Lehre den anderen mit aller Gewalt vorschreiben wollen.  
Ich aber denke, wir sollten die Spiritualität der anderen, das empfindsame Suchen der Menschen in der weiten Welt nach Gottes Dasein und die Dankbarkeit der Menschen für Gottes Dasein in der weiten Welt viel mehr schätzen.
Einmal saß ein Knirps aus der ersten Klasse neben mir auf der Kirchenbank unter der Linde und frage mich: "Warum kann ich Gott nicht sehen? Können sie mir bitte Gott zeigen?"
Auf der Suche nach einer Antwort für den Kleinen wurde mir klar: Es bleibt eine lebenslange Aufgabe, bei der wir alle unsere Sinne brauchen: Herz und Verstand, Geduld und eine gebildete, empfindsame Seele.
In seinen letzten Lebensstunden hat ein einfacher, frommer, stets freundlicher alter Mann von seinem Konfirmandenspruch gesprochen, der ihn seine Leben lang still und heimlich begleitet hat: „Fraget nach dem Herr und nach seiner Macht, suchet sein Antlitz allewege“. Auf meine Frage, ob er in den vergangenen 60 Jahren auf der Suche Gottes Antlitz gefunden habe, antwortete er ohne zu zögern: „Ja, in den Gesichtern der Menschen, denen ich eine Freude bereiten konnte.“

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann…. (EG 361)

Aktionismus – man macht und tut etwas, damit etwas gemacht wird, weil „man doch nicht einfach nur tatenlos zusehen kann. Da muss man doch etwas machen!“ Aktionismus vertreibt das unangenehme Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein, wenn einem bewusst wird: Der Mensch kann viel, aber längst nicht alles bewerkstelligen. Nicht alle können wir retten, manchmal kommt jede Hilfe zu spät. Menschen leiden und sterben, und wir können es nicht aufhalten, können es dann kaum aushalten. Was hätte man anders machen können? Wer ist schuld?
Wir sollten öfter einfach nur mal traurig sein über das, was nicht gelingt im Leben und die Hände in den Schoss legen; hinnehmen, dass es ist wie es ist, zur Ruhe kommen, denn die Seele braucht keinen Aktionismus, sie braucht ein beruhigendes Wort: „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, oder man muss auch mal herzhaft schimpfen und fluchen und hadern und klagen und anklagen seinen Herrgott.
Aber wer meint, alles selbst machen zu müssen, traut Gott nichts zu. Aktionismus ist auch ein Ausdruck von gottlosem Misstrauen nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Hingegen beginnt ein Lied im Gesangbuch mit den Worten: „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl, das macht die Seele still und friedevoll“.  
Dietrich Bonhoeffer betete im Gefängnis:
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht,
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe,
ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden,
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld,
ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.

Das Leben ist eben auch Führung und Lenkung. Niemand hat sein Leben im Griff. Wer weiß, wer und was ihm morgen begegnet und geschieht?
Gute Zeiten sind zum Ruhen da, schlechte zum Wachsen. Der Glaube kann sagen: Es wird schon einen Sinn haben.
Die Hände, die zum Beten ruhn, die machst Du stark zur Tat.
Und was der Beter tut, das machst Du stark zur Tat.

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. … (EG 65/541)

So dichtete Dietrich Bonhoeffer in einem Berliner Gestapo-Gefängnis Silvester 1944, umgeben und ausgeliefert willkürlichen Kommissaren der Geheimen Staatspolizei. Ein Jahr zuvor Weihnachten 1943 schrieb er in einem Militär-Gefängnis in Berlin Tegel Gebete für Mitgefangene:
Herr Jesus Christus, du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich. Du kennst alle Not der Menschen.  Du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht.  Du vergisst mich nicht, du suchst mich. Du willst, dass ich Dich erkenne und mich zu Dir kehre. Herr, ich höre Deinen Ruf und folge, hilf mir!
Heiliger Geist, gib mir den Glauben, der mich vor Verzweiflung, Süchten und Laster rettet, gib mir die Liebe zu Gott und den Menschen, die allen Hass und Bitterkeit vertilgt, gib mir die Hoffnung, die mich befreit von Furcht und Verzagtheit.
Heiliger, barmherziger Gott, mein Schöpfer und mein Heiland, mein Richter und mein Erretter. Du kennst mich und all mein Tun. Du hasst und strafst das Böse in dieser und jener Welt ohne Ansehen der Person, Du vergibst Sünden dem, der Dich aufrichtig darum bittet, Du liebst das Gute und lohnst es auf dieser Erde mit getrostem Gewissen und in der künftigen Welt mit der Krone der Gerechtigkeit.
Vor Dir denke ich an all die Meinen, an die Mitgefangenen und alle, die in diesem Hause ihren schweren Dienst tun. Herr, erbarme dich! Schenke mir die Freiheit wieder und lass mich derzeit so leben, wie ich es vor Dir und den Mitmenschen verantworten kann. Herr, was dieser Tag auch bringt, - Dein Name sei gelobt! Amen.

Ich glaube fest, dass alles anders wird, dass uns die Liebe immer weiter führt. Ich glaube fest an eine neue Sicht, wenn bald im klaren Licht ein neuer Tag anbricht….. Ich glaube fest. Ein neues Lied stimmt an, eine Liebeslied, das jeder singen kann. Ich glaube fest, das Ziel ist nicht mehr weit, ich hoffe auf die Zeit voll Frieden und Gerechtigkeit. (EG 661)

Nichts muss bleiben wie es ist! Nichts ist alternativlos!
Wir sind frei, uns eine gute, eine bessere Welt vorzustellen. Wir dürfen und sollen Grenzen sprengend denken und träumen, hoffen und glauben. Nichts muss bleiben wie es ist!
Menschen, die vereinzelt und nur für sich leben, meinen, sie könnten ja doch nichts ändern. Stimmt wohl, deshalb dichtete Peter Janssens: „Einsam bist du klein, aber gemeinsam werden wir Anwalt des Lebendigen sein“.
Wir sind miteinander unterwegs. Deshalb bilden Menschen Gemeinden, auch um sich gegenseitig Mut zu machen. "Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit", so Paulus.

"Obwohl die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des Staates zentraler Auftrag der Politik ist, kann und darf die Kirche im Ringen um Gerechtigkeit nicht abseits bleiben. Alle Christen, auch Hirten, sind berufen, sich um den Aufbau einer besseren Welt zu kümmern. ... Mir ist eine 'verbeulte' Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist." (Papst Franziskus)

Ich glaube, die Kirche müsste in ihren Gruppen und Kreisen auch lernen und lustvoll einüben, "Nein" zu sagen. "Nein" zu Übergriffen der Politik und der Wirtschaft ins Private: Zunehmender Arbeitsdruck, Datenklau, Verfügbarkeit rund um die Uhr. "Nein" zu einer Politik der Ausgrenzung und Ausbeutung. "Nein" zu .... - jeder trägt ein großes Anliegen mit sich herum, verstummt aber allzu sehr, weil viele sich all zu schnell sagen: "Man ja doch nichts machen kann".  Diesen Satz darf es in der Kirche nicht geben. Ein Antrag an den Kirchengemeinderat, ein Protestschreiben, ein Gespräch mit dem Bürgermeister oder Abgeordneten, ein Problem-Lied in den Chor einbringen oder eine Initiative in der Gemeinde starten geht immer. Und das sind nur eine paar Ideen von 100.000 Möglichkeiten. Dafür braucht es Phantasie, Motivation und Stärkung miteinander. Nur wer Mut zeigt, macht Mut.

Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus. … Und dennoch sind da Mauern zwischen Menschen und nur durch Gitter sehen wir uns an. Unser versklavtes ich ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Steinen unserer Angst. Herr, du bist Richter. Nur du kannst befreien, wenn du uns freisprichst, dann ist Freiheit da. Freiheit, sie gilt für Menschen, Völker, Rassen so weit, wie deine Liebe uns ergreift. EG 643

Das Lied kann doch wohl nur an einem Strand entstanden sein, außerhalb einer Stadt, einer Kirche, eines Betriebes, wo Mauern als Begrenzung und Einengung empfunden werden, wo jeder in einer fest zementierten Ordnung seinen Platz zu haben scheint.
Wo Mauern sind, bestimmen die einen über die anderen, wer rein darf und wieder raus muss. Aufgenommen oder abgeschoben. Eingegliedert oder ausgestoßen. Eingestellt oder gekündigt. Der Status kann sich mit einem Brief oder einem Satz von einem Moment auf den anderen ändern. Drin oder draußen.

Je mehr die einen haben, desto größer müssen die Mauern und Zäune sein, um Hab und Gut ängstlich vor denen zu schützen, die viel weniger haben. Über Mauern hinweg aber kann man nicht sprechen, an Mauern bilden sich Vorurteile über die, die dahinter sind. Je mehr Mauern und Zäune, desto stärker die Haltung: Das ist meins.

Am Strand, draußen in der freien Natur und unter freiem Himmel, der allen und niemand gehört, mit dem freien Blick auf Gottes große Schöpfung kann keiner dem anderen den Platz so leicht streitig machen.
Vor ein paar Tagen, an Himmelfahrt, wimmelte es am Breitenauer See vor Menschen und unterschiedlichen Sprachen. Sie alle aßen und tranken und spielten und dösten und küssten auf den Wiesen. Ein Pärchen bat fremde Menschen, ob sie ihre Würstchen kurz auf deren Grill legen durften. Kein Problem. Und danach wurden sie auch noch großzügig und überreichlich mit Salaten und dem versorgt, was noch da war.     
Jeder braucht einen Platz, wo er sagen kann: Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein. Ein jeder möge einem anderen immer wieder sagen: Hier bist du Mensch, hier darfst du sein.

Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt. Selig seid ihr, wenn ihr Lasten tragt. Selig seid ihr, wenn ihr lieben lernt. Selig seid ihr, wenn ihr Güte wagt. Selig seid ihr, wenn ihr Leiden merkt. Selig seid ihr, wenn ihr ehrlich bleibt. Selig seid ihr, wenn ihr Frieden macht. Selig seid ihr, wenn ihr Unrecht spürt.  (EG 651)    
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen – heißt eine Seligpreisung der Bergpredigt.
Sanftmut - welch schönes Wort. Ein zärtliches Gemüt haben, vorsichtig, sorgsam und nachsichtig sein.
Sanftmut ist der Widerspruch zu Hochmut und Übermut. Sanftmütige sind nicht Drängler, Besserwisser, Grobiane.
Schreit nicht mit, wenn die Vorlauten wieder schreien,
seid besonnen und ruhig und achtsam in euren Gedanken und eurem Tun – auch wenn’s schwer fällt. Weiches Wasser bricht den Stein.
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Wir leben in einer Konkurrenzgesellschaft. ‚Konkurrenz belebt das Geschäft‘, damit redet man das alltägliche Hauen und Stechen schön. Wie sehr gefährdet aber diese Lebenseinstellung unsere Herzen und Gemüter, das Leben miteinander und die Stimmung im Land? Wer im Geschäft zu weich ist und wer nachgibt, der hat schon verloren. Die Seligpreisung hält dagegen: Selig sind die Sanftmütigen.  
Ein weiches, gutes Herz macht sich selbst Mühe und Sorgen und wird Gutes tun. Bist du sanft mit deinem Nächsten, wirst du sanft in dir. Nicht der Starke hat Recht, sondern der Schwache. Dann wächst Friede.
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten.
Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.