Ansingen gegen den Allmachtsanspruch vom permanenten Wirtschaftswachstum
Predigt am Sonntag, den 19. Oktober 2014
So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.
(Aus dem Brief an die Epheser 5, 15-21)
Führt euer Leben weise.
„Alle Weisheit kommt von Gott, dem Herrn und ist bei ihm in Ewigkeit. Gott lieben ist die allerschönste Weisheit und wer sie erblickt, der liebt sie, denn er sieht, welch große Wunder sie tut. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. (Jesus Sirach).
Und bei dir ist die Weisheit, der deine Werke kennt und die dabei war, als du die Welt erschufst, und die weiß, was dir wohlgefällig ist und was recht ist nach deinen Geboten. Habt Gerechtigkeit lieb, die ihr Land und Leute regiert. Denkt über den Herrn nach in lauterem Sinn und sucht ihn mit aufrichtigem Herzen! Weisheit kommt nicht in eine arglistige Seele und wohnt nicht in einem Leibe, der der Sünde verfallen ist“. Das waren Zitate aus den Weisheitsbüchern Jesus Sirach und der Weisheit Salomos.
Die Bergpredigt im Matthäusevangelium ist auch eine weise Lehre: Vom Töten, vom Ehebrechen, vom Schwören, vom Vergelten, vom Beten, vom Fasten, vom Schätze sammeln, vom Richtgeist, vom Tun des göttlichen Willens.
Daraus können wir entnehmen, was der Wille des Herrn ist: Selig die Leidtragenden, selig die Sanftmütigen, selig die Hungernden nach Gerechtigkeit, selig die Barmherzigen, selig, die reinen Herzens sind, selig die Friedfertigen und Frieden Stiftenden.
Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.
Orientiert euer Verhalten immer und überall zuerst daran, was Jesus vom Willen Gottes gelehrt und seinen Nachfolgern mit auf den Weg gegeben hat.
Jesus – der da sitzt zur rechten Gottes, von dort wird er wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten, so sagen wir im Glaubensbekenntnis. Einmal, im Jüngsten Gericht, wirst du dich verantworten müssen: Was hast du gemacht mit deinem Leben, welchen Regeln und Geboten bist du gefolgt.
Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
Hast Du selbst über dein Leben bestimmt oder dich bestimmen lassen? Hast du dich abhängig gemacht, abhängig machen lassen - von Alkohol, von Drogen, von Spielsucht, von der Internetsucht. Wenn ja, warum? Wie konnte es soweit kommen?
Versteht, was der Wille des Herrn ist.
In der Politik und auch in unser aller Bewusstsein scheint es ein oberstes Gebot zu geben: Gut und richtig ist alles, was dem Wirtschaftswachstum und der Wirtschaftsleistung Deutschlands dient.
Wem aber im Betrieb Zweifel kommen, ob alles, was er macht, richtig und sinnvoll und weise ist, kommt in Gewissenskonflikte; das höre ich immer wieder von manchen Audi-Mitarbeitern, von manchen Lidl-Mitarbeitern. Das spüren wir im Alltag, wenn wir konsumieren und kaufen: Günstig ist wohl selten gerecht.
Hagen Rether, Kabarettist, sang vor ein paar Jahren bitter und wahr und erhellend:
Mit 12 Jahren ist man in Asien zu alt zum Teppich knüpfen, weil die Finger zu groß werden. Du darfst aber erst mit 14 bei Nike anfangen, Turnschuhe zu kleben. Da entsteht eine Versorgungslücke von 2 Jahren, die meistens mit Prostitution gestopft wird.
Oh Herr, wir haben keine Ahnung von Sklavenhandel mit Kindern, Zerstörung ganzer Volkswirtschaften durch Börsenspekulationen und Umweltkatastrophen durch Ressourcenausbeutung. ….. Die anderen hoffen auf Frieden und wir hoffen, dass man uns im Urlaub nicht entführt. Die haben Angst, dass ihre Kinder verhungern und wir haben Angst, dass unser Deo versagt.
Oh Herr, wir kaufen ihre Frauen und behaupten, sie würden uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen. Unsere Beichtväter sind die Steuerberater und Unicef ist unser Ablass.
Oh Herr,
mach hoch die Tür, die Tor mach dick, und die Mauern zu, denn es kommt ein Heer von wütenden kleinwüchsigen Hungerleidern und Analphabeten über uns.
Die Hutu und die Tutsi werden sich gegen uns verschwören und die nicaraguanischen Kaffeebauern und die Schafhirten aus Kaschmir und die kampferprobten Kindersoldaten aus Sierra Leone. Sie alle werden kommen und über die Natozäune krabbeln und uns hinwegfegen wie El Nino.
Sie werden uns mit Basmatireis bewerfen und mit Naturreis und Parfumreis, mit Wildreis und mit Langkornreis und mit Milchreis und mit Uncle Ben’s Beutelreis und mit Puffreis. Sie werden in unseren Hobbykellern Darts spielen, und in unseren Swingerklubs swingen, sie werden von unseren Tellerchen essen, und mit unseren blonden Töchtern in unseren Ikeabettchen schlafen, sie werden auf unseren Teakholzmöbel gammeln, Cohibas rauchen, Darjeeling schlürfen, und ‚Wer wird Millionär‘ gucken.
Oh Herr, sie werden mit unseren Geländewagen im Stau stehen und über die Öko-Steuer fluchen.
Herr, wie kriegen wir in ihren Dritt-Welt-Schädel rein, dass du ein Aufsichtsratsvorsitzender bist.
Machen wir es uns gemütlich vor dem Herrn! Lasset uns beten:
Vater unser, der du bist im Himmel
gereinigt werde dein Name
wir sind steinreich
komm, ey, unser Wille geschehe
wie in Chile so auch in Schweden
deren täglich Brot gib uns heute
und vergib du ihnen doch ihre Schulden
wie auch wir vergeben unsere Kredite
und führe keine Untersuchung
sondern gib die Erlöse uns von den Börsen
denn wir sind reich, haben die Kraft und die Herrlichkeit,
und die bleiben immer die in Ewigkeit
Armen.
Lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles.
Stellt euch vor: Im Betrieb läuten drei mal am Tag Glocken oder Gongs: Um 9 Uhr, um 12 Uhr und um 15 Uhr. In der Werkhalle ertönt Musik, große Leinwände werden heruntergefahren, auf die ein Liedtext projiziert wird. In den Büros erscheint auf den Laptops der Liedtext und aus den Lautsprechern ist das Lied zu hören, das gleich miteinander gesungen wird. Der Betriebsrat hat unter Mitwirkung der Belegschaft die 30 schönsten Lieder ausgesucht mit sinnvollen, geistreichen und weisen Texten:
Danke für diesen guten Morgen
Geh aus mein Herz und suche Freud
Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren
Die Gedanken sind frei
Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt
Gut dass wir einander haben
Im Popbereich gibt es auch viel Geistreiches.
3 mal am Tag 5 Minuten lang miteinander singen. Das wäre bestimmt belebend. Man würde sich nach einer Gewöhnungszeit darauf freuen und das Lied würde beim Arbeiten auch noch lange nachklingen, in die nächsten Handgriffe und Besprechungen hinein. Man hätte sich miteinander schöne Texte „zu Gemüte geführt“, und sich daran erinnert, dass jeder auch noch eine Seele hat, die leben will.
Die Lieder würden einen für ein paar Minuten am Tag herausholen von dem Anspruch, nur Erfüllungsgehilfe des Betriebserfolges zu sein, sondern würden einen auch daran erinnern und darin motivieren, Erfüllungsgehilfe der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe in der Welt zu sein. „Alles was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut auch ihnen. Das ist das Gesetz“, so Jesus in der Bergpredigt, die jeder verstehen kann. Miteinander zu singen würde den Herzen, Sinnen und Gemütern wohltun. Das ist meine Erfahrung.
Wie komme ich auf die Idee?
Ich denke an die letzte Paddeltour mit Muslimen. Selbstverständlich haben sie zwei mal gebetet: einmal während der ersten Pause und dann als wir angekommen waren. Ganz unkompliziert. Sich mit Wasser aus einer Plastiklasche für das Gebet vorbereitet, die Teppiche aus den mitgeführten Tonnen geholt, Mekka mit dem Handykompass gesucht, ein paar Minuten gebetet. Gut war‘s. Sie lassen sich unterbrechen, schenken ein paar Minuten ihrer Aufmerksamkeit Gott und der Seele. Sie werfen sich vor Gott, ihrem Schöpfer und Richter, nieder. Hat man nicht früher auch Glocken läuten lassen, morgens, mittags und abends und dann währenddessen die Arbeit ruhen lassen und ein Gebet gesprochen?
Bei der Idee vom Singen in Betrieben geht es mir nicht darum, die Herrschaft der Kirche oder der Moschee oder der Synagoge auszuweiten, sondern den Menschen dem übermäßigen Anspruch nach grenzenloser Gewinnmaximierung und Konsumstimulation etwas entgegenzuhalten - um des Seelenwohls des Einzelnen und um der Gerechtigkeit in der Welt willen.
Singen für ein anderes, mitfühlendes Bewusstsein? Luther sagt: Die Musik ist die beste Gottesgabe. Durch sie werden viele und große Anfechtungen verjagt. Musik ist der beste Trost für einen verstörten Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag. Sie ist die Lehrmeisterin, die die Leute gelinder, sanftmütiger und vernünftiger macht.